Acessibilidade / Reportar erro

(Un-)Sichtbare Übersetzungen? Übersetzungsstrategien bei Erzählungen von Clarice Lispector

(In-)Visible Translations? Translation Strategies in Contos by Clarice Lispector

Abstracts

Man liest Übersetzungen im Allgemeinen als transparente Stellvertreter eines fremdsprachlichen Ausgangstextes, ohne sich des Prozesses des Übersetzens, bzw. der Übersetztheit des Textes bewusst zu sein. Was aber geschieht beim Übersetzen? Übersetzen ist immer Interpretation, so die brasilianische Translationswissenschaftlerin Rosemary Arrojo. Anhand zweier Erzählungen, Liebe und Die Dame und das Ungeheuer oder die allzu große Wunde, der Autorin Clarice Lispector, ins Deutsche übersetzt von Curt Meyer-Clason und Sarita Brandt, wird nach Übersetzungsstrategien und den sich daraus ergebenden Interpretationen, nach Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit der Übersetzer und der Übersetzung gefragt, die aus den Zieltexten erkennbar sind, stellt man sie den Ausgangstexten gegenüber.

Übersetzung; Unsichtbarkeit und Übersetzung; deutsche Clarice Lispector-Rezeption


In general, translations are read as transparent replacements of an originally foreign source texts, without the reader being aware of the translation process, i.e. the translatedness of the text. But what happens in translating? Translation always means interpretation, according to the Brazilian translation theorist Rosemary Arrojo. Basing the analysis on two contos, namely Amor and A bela e a fera by Clarice Lispector and their respective translations into German by Curt Meyer-Clason and Sarita Brandt, this essay investigates translation strategies and the resulting interpretations as well as the visibility or invisibility of translation and translators when confronting the source texts with the target texts.

Translation; Invisibility; German reception of Clarice Lispector


Na maioria dos casos, traduções são lidas como representantes transparentes de um texto fonte em língua estrangeira, sem que o leitor esteja consciente nem do processo de tradução, nem do fato de esse ter sido traduzido. Mas o que acontece na hora de traduzir? Traduzir é sempre interpretar, como afirma a tradutóloga brasileira Rosemary Arrojo. Com base em dois contos, Amor e A bela e a fera ou a ferida grande demais de Clarice Lispector, traduzidas ao alemão por Curt Meyer-Clason e Sarita Brandt, serão analisadas as estratégias de tradução e a visibilidade ou invisibilidade dos tradutores e da própria tradução, que se revelam ao confrontar os textos fonte com as traduções.

Tradução; Invisibilidade e Tradução; Recepção alemã de Clarice Lispector


Clarice LISPECTOR (1920-1977) zählt zu den vielfach übersetzten Autoren Brasiliens. Ihre Rezeption durch die sogenannten ‚französischen Feministinnen', insbesondere Helène Cixous, trug maßgeblich zur Verbreitung und Übersetzung vieler Texte LISPECTORS im anglophonen, frankophonen und dem deutschsprachigen Raum bei2 2 Die Problematiken dieser ‚gelenkten' Rezeption sollen an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. . Hierzulande spielt auch die Tatsache, dass Brasilien zweimal (1994 und 2013) Gastland der Frankfurter Buchmesse war, eine Rolle bezüglich der (Neu-)Übersetzungen ihrer Texte.

Die ersten deutschen Übersetzungen der Texte Clarice Lispectors entstanden in den 1960er Jahren noch zu Lebzeiten der Autorin durch den bekannten Übersetzer Curt MEYER-CLASON3 3 1964 erschien "Der Apfel im Dunkeln" beim Claassen Verlag, übersetzt von Meyer-Clason, 1966 folgte die Anthologie "Die Nachahmung der Rose". Er übersetzte auch "Die Sternstunde" (1985) sowie diverse Einzeltexte, die in Anthologien erschienen (vgl. KÜPPER 2012: 240-245) . Es folgten weitere Übersetzungen in den 1990er Jahren, unter anderen durch die Übersetzerin Sarita BRANDT4 4 Von ihr wurden übersetzt "Água viva" (1994), die Anthologie "Die Dame und das Ungeheuer" (1990), "Eine Lehre oder das Buch der Lust" (1988), "Wo warst du in der Nacht" (1996), "Von Traum zu Traum" (1992) sowie diverse Einzeltexte, die in Anthologien erschienen (vgl. Küpper 2012: 240-245). . Zur Frankfurter Buchmesse 2013 erschienen beim Schöffling Verlag bislang in neuer bzw. überarbeiteter Übersetzung "Nahe dem wilden Herzen"5 5 "Nahe dem wilden Herzen" wurde 1981 erstmals von Ray-Güde Mertin ins Deutsche übersetzt. Die neue Ausgabe bei Schöffling ist von Corinna Santa Cruz auf Basis der brasilianischen Erstausgabe überarbeitet. und "Der Lüster"6 6 "Der Lüster" wurde für die Gesamtausgabe erstmals 2013 von Luis Ruby ins Deutsche übersetzt. als erste Bände einer Gesamtausgabe der Werke von Clarice LISPECTOR. Im Folgenden möchte ich zwei Erzählungen betrachten, die in den Anthologien Die Nachahmung der Rose und Die Dame und das Ungeheuer in deutscher Übersetzung erschienen sind und die Frage nach der (Un)Sichtbarkeit der Übersetzer sowie punktuell nach Übersetzungsstrategien stellen und diese anhand der deutschen Texte zu beantworten suchen. Hierbei spielen sowohl die Zusammensetzung der Anthologien, die jeweiligen Paratexte (Vorworte, Nachworte, Klappentexte etc.) als auch die übersetzten Texte selbst eine wichtige Rolle.

1 Unsichtbare Übersetzer

Der US-amerikanische Translationswissenschaftler und Übersetzer Lawrence VENUTI prägte mit seinem Text "The Translator's Invisibility: A History of Translation" (1995) den Begriff der Invisibility bzw. Unsichtbarkeit des Übersetzers. Nach Venuti wirkt diese Unsichtbarkeit auf verschiedenen Ebenen: auf textueller Ebene durch das Postulat der fluency oder Flüssigkeit des Zieltextes, was den Text erscheinen lässt, als sei er in der Zielsprache verfasst, auf rechtlicher Ebene in Form der fehlenden Autorenrechte der Übersetzer in den USA, auf sozialer Ebene durch die prekäre Arbeitssituation von Literaturübersetzern, welche zumeist noch anderen Arbeiten nachgehen müssen um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern sowie nicht zuletzt auf Ebene der Vermarktung von Literatur als von kanonischen (ausländischen) Autoren und nicht von ‚namenlosen' Übersetzern verfassten Texten. (VENUTI 1995: 1-17VENUTI, Lawrence. The Translator's Invisibility A History of Translation. London and New York: Routledge,1995.)

Der Begriff der Unsichtbarkeit lässt sich durchaus auf den deutschen Sprachraum anwenden, wenn auch die Übersetzerfigur Curt Meyer-Clason hierbei auf den ersten Blick als Ausnahme erscheinen mag, doch dazu später. Die Lage von Literaturübersetzern in Deutschland ist nach wie vor prekär, auf angemessene Entlohnung seitens der Verlage ist nur in seltenen Fällen zu zählen. Im Fall brasilianischer Literatur wurden zwar in der zeitlichen Umgebung der Frankfurter Buchmesse Übersetzerstipendien7 7 Durch die brasilianische Regierung sowie durch die Brasilianische Botschaft. vergeben, was eine beachtliche Anzahl an Übersetzungen junger brasilianischer Literatur zur Folge hatte (vgl. WINK et al. 2013: 10WINK, Georg et al., ‚Einleitung'. In: KLENGEL, Susanne / QUANDT, Christiane / Schulze, Peter W / WINK, Georg (Hg) Novas Vozes. Zur brasilianischen Literatur im 21. Jahrhundert. Iberoamericana Vervuert: Frankfurt am Main, 2013, 9-22 .), doch vermag dies kaum die allgemein prekäre Arbeitssituation von Literaturübersetzern zu verändern. In Bezug auf die verlangte ‚Flüssigkeit' der Übersetzungen ist ebenfalls eine Parallele zu ziehen, betrachtet doch die Buchkritik, sofern die Übersetztheit der besprochenen Texte überhaupt Erwähnung findet, eben diese Flüssigkeit bzw. zielsprachliche Lesbarkeit einer Übersetzung als höchstes Qualitätskriterium. So findet auch im deutschen Sprachraum die von VENUTI beschriebene Dynamik statt:

Under the regime of fluent translating, the translator works to make his or her work "invisible," producing the illusory effect of transparency that simultaneously masks its status as an illusion: the translated text seems "natural," i.e., not translated. (VENUTI 1995: 5)

2 Sichtbarkeit in Paratexten

Die beiden Bände, Die Nachahmung der Rose, im Folgenden Die Nachahmung, zunächst 1966 im Claassen Verlag, 1985 in anderer Zusammensetzung beim Suhrkamp

Verlag erschienen und die Die Dame und das Ungeheuer, im Folgenden Die Dame, 1990 bei rororo verlegt, weisen große Unterschiede auf. In der Edition von 1985 von Die Nachahmung wurden zwei Sammlungen Lispectors zusammengeführt, was aus dem Quellenverzeichnis am Schluss des Bandes hervorgeht:

Die Erzählungen Familienbande, Kostbarkeit, Das Abendessen, Anfänge eines Vermögens und Der Büffel sind dem Band Laços de Família, Livraria Francisco Alves, São Paulo 1961 entnommen; alle anderen Erzählungen bilden den Band A imitação da Rosa, 2a edição, Editora Artenova, Rio de Janeiro 1975. (LISPECTOR / MEYER-CLASON8 1985: 138)

Demgegenüber ist Die Dame eine vollständige Übersetzung der Sammlung A Bela e a Fera auf der Basis der Ausgabe von 1979, erschienen bei Editora Nova Fronteira in Rio de Janeiro, wie aus dem Impressum hervorgeht. Dieser Band beinhaltet einen etwa zehn Zeilen kurzen Text über die Autorin Clarice Lispector sowie ein Foto der Autorin, außerdem als Klappentext ein von der Literaturwissenschaftlerin Helène Cixous aus dem Französischen ins Deutsche übersetztes Zitat. Es wurden alle Teile des Ausgangstextes, inklusive der Nota/Anmerkung der Autorin und ihres Sohnes Paulo Gurgel Valente, übersetzt, darüber hinaus beinhaltet der übersetzte Band keine weiteren Texte, weder von den Herausgebern noch von der Übersetzerin. Der Name der Übersetzerin erscheint nur auf der Titelseite. Im Gegensatz dazu beinhaltet das Hardcover Die Nachahmung von 1985 einen Klappentext zur Autorin9, vergleichbar in Länge und Inhalt mit demjenigen in Die Dame, jedoch mit dem maßgeblichen Unterschied, dass Curt Meyer-Clason als Autor angegeben ist. Zusätzlich zu diesem Paratext hat Meyer-Clason ein Nachwort (ebd.: 126-137) verfasst, in welchem er den Werdegang der Autorin behandelt sowie übersetzte Nachrufe zweier brasilianischer Literaturgrößen in eigener Übersetzung einbezieht, auch hier ist die Autorschaft markiert.

In beiden Bänden ist die Übersetztheit der Texte kaum sichtbar. Die Übersetzerin von Die Dame ist nur an einer einzigen Stelle im Buch namentlich genannt, es ist kein Vor- oder Nachwort von Sarita Brandt zu finden und die

Reihenfolge und Anzahl der Erzählungen entspricht derjenigen des Ausgangstextes. Bei Die Nachahmung macht sich der Übersetzer zwar sichtbar, jedoch nicht als Übersetzer, sondern als Experte für die Autorin, also in seiner Eigenschaft als Brasilianist und nicht als Übersetzer. Möglicherweise spielte er auch eine Rolle in der Neuzusammensetzung der Erzählungen. Der Prozess oder die spezifischen Schwierigkeiten der Übersetzung werden an keiner Stelle in keinem der beiden Bände genannt.

3 Die Übersetzungen

Es gibt also keine "neutrale" oder "wörtliche" Übersetzung. Sie ist immer und unausweichlich eine Lektüre oder Interpretation. [...] Jede Übersetzung verrät ihren Ursprung aus einer Interpretation, weil der Ausgangstext, das sog. "Original", nur in einer Lektüre existiert, die ihrerseits immer und notwendigerweise das Resultat eines Standpunktes und ihrer Entstehungssituation ist. (ARROJO 1997: 69ARROJO, Rosemary, ‚Gedanken zur Translationstheorie und zur Dekonstruktion des Logozentrismus'. In: Wolf, Michaela (Hg) Übersetzungswissenschaft in Brasilien. Beiträge zum Status von "Original" und Übersetzung. Tübingen: Stauffenberg Verlag Brigitte Narr, 1997, .63-70.)

Jedem Übersetzungsprozess wohnt eine Interpretation inne, welche geprägt ist von der Lektüre durch die Übersetzer, die wiederum geprägt ist durch das soziale, politische, gesellschaftliche Umfeld, durch Sprachprägung, Konvention und viele weitere Faktoren. Eine gänzlich ‚unschuldige' oder nicht interpretierende Übersetzung ist nicht möglich, wie die brasilianische Translationstheoretikerin Rosemary Arrojo (hier übersetzt von Hans J. Vermeer) schreibt. Auf dieser Basis soll die Analyse der Übersetzungen stattfinden. Hierbei soll kein Urteil über die Qualität der Übersetzungen das Ziel sein, vielmehr soll nach der stets im Übersetzungsprozess inbegriffenen Interpretationen gefragt werden sowie nach den sich daraus ergebenden Übersetzungsstrategien, welche die Texte offenbaren.

3.1. Umgang mit Satzzeichen und Hervorhebungen

Die Funktion von Gedankenstrichen und Anführungszeichen unterscheidet sich grundsätzlich in der portugiesischen und der deutschen Sprache. Im Deutschen werden

Zitate oder direkte Rede gewöhnlich durch Anführungszeichen ("" oder "" bzw. ""10) markiert, im Portugiesischen wird direkte Rede durch einen Geviertstrich markiert (-), Zitate hingegen werden durch Anführungszeichen ("") markiert. Hervorhebungen können in beiden Sprachen durch einfache (‚'oder ‹› oder ›‹ bzw.'') oder doppelte (s.o.) Anführungszeichen markiert werden. Der Geviertstrich (-) wird im Portugiesischen auch vergleichbar dem deutschen Gedankenstrich (Halbgeviertstrich -) verwendet. Als Auslassungszeichen werden zuweilen in beiden Sprachen drei Punkte gebraucht (...). Bei literarischen Übersetzungen kommt es vor, dass die Konventionen der Ausgangssprache übernommen werden, auch wenn dies in der Zielsprache nicht üblich ist. Zumeist hat dies einen exotisierenden Effekt. Bei den zu betrachtenden Erzählungen fällt allerdings etwas anderes auf. In Liebe (Die Nachahmung: 19-31) entspricht die Verwendung der Satzzeichen im Großen und Ganzen den oben beschriebenen Kriterien beider Sprachsysteme, Gedankenstriche werden an ähnlicher Stelle im Satz mit vergleichbarer Funktion im Zieltext eingesetzt und Zitate werden markiert. Mit folgenden Ausnahmen:

A1

Mas continuava a olhá-lo, cada vez mais inclinada — o bonde deu uma arrancada súbita jogando-a desprevenida para trás, o pesado saco de tricô despencou-se do colo, ruiu no chão — Ana deu um grito, o condutor deu ordem de parada antes de saber do que se tratava — o bonde estacou, os passageiros olharam assustados. (Laços: 29) Doch sie fuhr fort, ihn anzusehen, immer weiter vorgebeugt – die Straßenbahn machte einen Ruck und schleuderte die Unvorbereitete zurück, das schwere Tragnetz rutschte von ihrem Schoß und viel zu Boden. Ana schrie auf, der Schaffner ließ von neuem halten, ohne zu wissen, was los war, die Straßenbahn bremste, die Fahrgäste hoben erschrocken die Köpfe. (Die Nachahmung: 22)

A2

É hora de dormir, disse ele, é tarde. (Laços: 37) »Es ist Schlafenszeit«, sagte er. »Es ist spät.« (Die Nachahmung: 31)

A3

E, se atravessara o amor e o seu inferno, penteava-se agora diante do espelho, por um instante sem nenhum mundo no coração. (Laços: 37) Und wenn sie auch die Liebe und ihre Hölle durchquert hatte – jetzt kämmte sie sich vor dem Spiegel, für einen Augenblick ohne einen Funken Welt im Herzen. (Die Nachahmung: 31)

Die drei Beispiele zeigen die punktuell interpretierende Lektüre des Übersetzers. In Beispiel A1 übersetzt er zwei von drei Gedankenstrichen durch Punkte. Hier wird die Trennung von Sinnabschnitten in ähnlicher Weise, doch mit unterschiedlich starkem Effekt erzielt. Der Eindruck des Abgehackten, Zerstückelten im Satz ist im Deutschen weitaus weniger intensiv als im Portugiesischen. In Beispiel A2 wurde ein Zitat in der Übersetzung markiert, welches im Ausgangstext nicht markiert, jedoch als Zitat erkennbar ist. Hier wird durch die Übersetzung die Leserlenkung verstärkt. In Beispiel A3 wird ein Komma durch einen Gedankenstrich übersetzt, der Satz erhält so im Deutschen eine graphisch auffällige Trennung. Hierdurch wird die Zweiteilung der Welt der Protagonistin zum Ende der Erzählung in der Übersetzung graphisch markiert. Der deutsche Gedankenstrich ließe sich auch als Übersetzung des Bindestrichs (penteava-se) lesen, der das Verb mit dem Pronomen verbindet, sofern die Möglichkeit einer optischen Äquivalenz in Frage steht. (vgl. auch Kapitel 4 dieser Arbeit)

Im zweiten Text Die Dame und das Ungeheuer oder die allzu große Wunde mit dem Ausgangstext A Bela e a Fera ou a Ferida grande demais ist der Umgang mit Satzeichen bemerkenswert. Im Ausgangstext werden unterschiedliche Markierungen, einfache Anführungszeichen, doppelte Anführungszeichen, Geviertstrich, für die Markierung von Zitaten, Gedanken und direkter Rede verwendet, außerdem werden sehr häufig Gedankenstriche und Auslassungspunkte gesetzt. Zusätzlich werden einzelne Begriffe durch Anführungszeichen (oder Großschreibung im Portugiesischen) hervorgehoben. Sowohl der Gebrauch im Ausgangstext als auch im Zieltext ist nicht vollständig kohärent, wie die nachfolgenden Beispiele (Auswahl) zeigen.

B1

Sempre era ela ― com outros, e nesses outros ela se refletia e os outros refletiam-se nela. (A Belai:133s) Sie war immer mit anderen zusammen, und in diesen anderen spiegelte sie sich wider, und die anderen spiegelten sich in ihr. (Die Dame: 127)

Bemerkenswert ist, dass an anderer Stelle, Beispiel B1a, eine sehr ähnliche Passage auch in der Übersetzung mit Gedankenstrich dargestellt wird:

B1a

Ela – os outros. (A Bela:135) Sie – die anderen. (Die Dame:129)

Beispiel B1 zeigt eine eindeutig interpretierende Lektüre. Aus einer zur Interpretation offenen Gegenüberstellung ("Sempre era ela - com outros") wird im Deutschen "Sie war immer mit anderen zusammen". Hierbei ist die deutsche Satzstruktur nicht so angelegt, dass, wie im Portugiesischen, der erste Teil des Satzes auch ohne den zweiten funktionieren würde, was die Fortsetzung nach dem Gedankenstrich für den Leser zu einer kleinen Überraschung macht. Diese Überraschung ist beim Deutschen Text nicht gegeben.

Ähnlich wie in Liebe wird hier an verschiedenen Stellen der Gedankenstrich des Ausgangstextes mit einem Komma oder, an anderer Stelle, durch einen Punkt übersetzt. Die graphische Trennung der Satzteile, eine Pause im Lesefluss, wird im Zieltext dadurch im Verhältnis zum Ausgangstext entweder abgeschwächt oder verstärkt.

Der Gebrauch von Anführungszeichen ist im Ausgangstext so verteilt, dass doppelte Anführungszeichen ("") entweder ein Zitat, einen innerlich formulierten Gedanken (Beispiel B1) oder einen hervorgehobenen Begriff markieren. Hieraus ergibt sich für den Zieltext das Problem, dass auch für die im AT durch einen Geviertstrich markierte direkte Rede der Figuren für den ZT, folgt man der Sprachnorm, doppelte Anführungszeichen ("")verwendet werden und die im AT unterschiedlich markierten Zitate im ZT gleich markiert werden.

B2

“A beleza pode levar à espécie de loucura que é a paixão.” (A Bela:134) «Die Schönheit kann zu jener Art von Wahnsinn führen, der die Leidenschaft ist.» (Die Dame: 128)

B3

Pensou assim, toda enovelada: “Ela que, sendo mulher, o que lhe parecia engraçado ser ou não ser, sabia que, se fosse homem, naturalmente seria banqueiro, coisa normal que acontece entre os “dela”, isto é, de sua classe social, à qual o marido, porém, alcançara por muito trabalho e que o classificava como “self-made man” enquanto ela não era uma “self-made woman.” (A Bela: 135) Etwas wirr ging es ihr durch den Kopf: «Sie, als Frau – merkwürdig, ausgerechnet eine Frau zu sein –, wußte, daß sie, wäre sie statt dessen ein Mann, selbstverständlich Bankier geworden wäre, was unter ‹ihren› d.h. in ihrer sozialen Schicht völlig normal war, auch wenn sich ihr Mann den Zugang zu dieser Schicht hart erarbeitet hatte, was ihn zum ‹Self-made-man› machte, obwohl sie doch keineswegs zu den ‹Self-made-woman› gehörte.» (Die Dame: 129)

B4

E ainda por cima, devia ter medo de ficar curado, adivinhou ela, porque, se ficasse bom, não teria o que comer, isso Carla sabia: “quem não tem bom emprego depois de certa idade...” (A Bela: 137) Und obendrein mußte er sicher noch Angst haben, daß sie abheilte, erriet sie, wenn das Bein wieder gut aussähe, hätte er nichts mehr zu essen; denn das wußte Carla: «Wer nach einem gewissen Alter keine gute Stellung hat…» (Die Dame: 31)

B5

Estava atarantada e perguntou: – Quanto é que se costuma dar? (A Bela: 136) Sie war durcheinander und fragte: «Was geben die Leute denn so?» (Die Dame: 129)

In Beispiel B2 und B3 erscheinen Gedanken der Protagonistin, welche im AT und im ZT mit Anführungszeichen markiert werden sowie einzelne Begriffe, die im AT mit doppelten Anführungszeichen ("") und im ZT durch einfache Anführungszeichen (‹›) hervorgehoben werden. In Beispiel B4 handelt es sich um ein erinnertes Zitat, welches in beiden Texten durch doppelte Anführungszeichen markiert ist. In Beispiel B4 ist die im AT mit Geviertstrich markierte wörtliche Rede durch doppelte Anführungszeichen ("") markiert.

Besonders auffällig ist die Verwendung von Gedankenstrichen in Beispiel B3, wo der Gedankenfluss im deutschen Text unterbrochen wird durch den Einschub "merkwürdig, ausgerechnet eine Frau zu sein", während im Portugiesischen der Eindruck sich überschlagender Gedanken entsteht, die Schlag auf Schlag aufeinander folgen. Außerdem ist das angedeutete Shakespeare-Zitat im portugiesischen Text "ser ou não ser" entweder nicht erkannt worden oder es wurde bewusst anders interpretiert.

Diese Systematik in den Hervorhebungen und der Verwendung von Gedankenstrichen wird im Großen und Ganzen durchgehalten, jedoch erscheinen einige Ausnahmen:

B6

Desesperou-se tanto que lhe veio o pensamento feito de duas palavras apenas: “Justiça Social.” (A Bela: 138) Die Verzweiflung wurde so stark, daß ein Gedanke aus nur zwei Worten sie überwältigte: «Soziale Gerechtigkeit.» (Die Dame: 131)

In Beispiel B6 wird ein im AT durch doppelte Anführungszeichen und durch Großschreibung markierter Begriff im ZT ebenfalls durch doppelte (nicht durch einfache) Anführungszeichen markiert.

B7

Vivia nas manadas de mulheres e homens que, sim, que simplesmente podiam. Sie gehörte zu den Herden von Frauen und Männern, die, oh ja, die ‹es sich leisten konnten›. Podiam o quê? Aber was konnten sie sich denn leisten? Ora, simplesmente podiam. Nun, sie konnten es sich einfach leisten. E ainda por cima, viscosos pois que o “podia” deles era bem oleado nas máquinas que corriam sem barulho de metal ferrugento. (A Bela: 134) Und obendrein waren sie aalglatt, denn ihr ‹sich leisten können› war so gut geölt wie ihre Maschinen, die liefen ohne das Quietschen von rostigem Eisen. (Die Dame: 128)

B8

Eles não fazem nada. ‹Sie› tun überhaupt nichts. E ela – ela era “eles” também. (A Bela: 136) Und sie – sie war auch wie ‹sie›. (Die Dame: 130)

B9

Como algumas de suas “coleguinhas” de sociedade. Wie einige ihrer ‹kleinen Kolleginnen› aus der guten Gesellschaft. Sorriu um pouco ao pensar em termos de “coleguinhas”. Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht, als sie an den Begriff ‹kleine Kolleginnen› dachte. Colegas em quê? (A Bela: 140) ‹Kolleginnen› in Bezug worauf? (Die Dame: 133)

Und in Beispiel B7 wird ein Begriff (podia/m) im AT erst im vierten Satz hervorgehoben, während er zuvor unmarkiert wiederholt wird. Im ZT wird dessen Übersetzung (es sich leisten können) im ersten Satz und im dritten Satz durch einfache Anführungszeichen markiert. Durch die erste Markierung wird gleich im ersten Satz von B7 deutlich, dass "es sich leisten konnten" hier eine besondere Bedeutung hat. Die Erklärung im nächsten Satz wird sozusagen durch die Anführungszeichen angekündigt. Im Portugiesischen bleibt das erste "podiam" in der Luft hängen und hinterlässt beim Leser ein mikroskopisches Gefühl von Suspense. Vergleichbar ist das folgende Beispiel B8, wo im AT ein im zweiten Satz wiederholtes Wort einmal durch doppelte Anführungszeichen hervorgehoben wird (eles), im ZT wird die Übersetzung (Sie)

sowohl im ersten wie im zweiten Satz durch einfache Anführungszeichen hervorgehoben. Ebenso wie in B7 ist der deutsche Leser auf weitere Ausführungen gefasst, im Portugiesischen wird er überrascht. In Beispiel B9 ist es umgekehrt, da die Markierung im AT in den ersten beiden Sätzen erfolgt, während der Begriff (2x Diminutiv coleguinhas, 1x Positiv colegas) im dritten Fall nicht hervorgehoben wird. Im ZT ist die Übersetzung (2x kleine Kolleginnen, 1x Kolleginnen) in allen drei Sätzen durch einfache Anführungszeichen hervorgehoben.

B10

Assim: esse mendigo sabe inglês? Esse mendigo já comeu caviar, bebendo champanhe? (A Bela: 138) So zum Beispiel: «Spricht dieser Bettler Englisch? Hat dieser Bettler schon Kaviar gegessen und dazu Champagner getrunken?» (Die Dame: 131)

In Beispiel B10 wird ein im AT nicht durch Anführungszeichen oder Geviertstrich markiertes Gedankenzitat (durch Doppelpunkt eingeleitet) in der Übersetzung durch doppelte Anführungszeichen markiert. Im Portugiesischen wechselt die extradiegetische Erzählstimme hier nicht, nur die Fokalisierung wird eine interne. Im Deutschen dagegen wechselt durch die Anführungszeichen die Erzählstimme, auch wenn es sich um Gedanken handelt, ist es nun die Frau, die spricht, nicht mehr die Erzählerstimme. Dies geschieht ebenfalls in den Beispielen B11. In Beispiel B12 verhält es sich umgekehrt: Im AT sind die Gedanken der Protagonistin durch doppelte Anführungszeichen markiert, im ZT ist im ersten Teil des Gedankenzitats die Perspektive diejenige des extradiegetischen Erzählers und der zweite Teil ist wie im AT ein Gedankenzitat der Protagonistin, allerdings nicht markiert.

B11

Como diria na festa, quando dançasse, como diria ao parceiro que a teria entre seus braços... O seguinte: olhe, o mendigo também tem sexo, disse que tinha onze filhos. Ele não vai a reuniões sociais, ele não sai nas colunas de Ibrahim, ou do Zózimo, ele tem fome de pão e não de bolos, ele na verdade só deveria comer mingau pois não tem dentes para mastigar carne... (A Bela: 140) Wie würde sie es ihrem Partner, der sie beim Tanz auf dem Ball in den Armen hielte, sagen… Folgendes: «Weißt du, auch der Bettler ist ein Mann, er sagte, er habe elf Kinder. Er erscheint nicht bei Empfängen und hat auch keine anderweitigen sozialen Verpflichtungen, er wird nicht in den Klatschspalten Ibrahims und Zózimos erwähnt, er hat Hunger auf Brot und nicht auf Kuchen, und in Wirklichkeit dürfte er nur Brei essen, denn er hat keine Zähne, um Fleisch zu kauen…» (Die Dame: 133)

B12

“Antes de casar era de classe média, secretária do banqueiro com quem casara e agora – agora luz de velas. Vor ihrer Heirat hatte sie zur Mittelschicht gehört, sie war die Sekretärin des Bankiers gewesen, den sie geheiratet hatte, und jetzt – jetzt Parties im Grünen bei Kerzenschein. Eu estou é brincando de viver, pensou, a vida não é isso.” (A Bela: 140) Ich spiele das Leben ja nur, dachte sie, aber das Leben ist etwas anderes. (Die Dame: 134)

Damit vergleichbar ist Beispiel B13, wo ebenfalls ein Gedankenzitat des Bettlers im ZT durch Anführungszeichen markiert ist, welches im AT nur durch Doppelpunkt eingeleitet wird. Es wird zusätzlich ein Begriff im ZT durch einfache Anführungszeichen hervorgehoben (Millionärsfrau), während der portugiesische Begriff (milionária) nicht hervorgehoben ist. Auch hier verändert sich die Erzählinstanz durch die Anführungszeichen. Im deutschen Text spricht durchgehend der Bettler, im Portugiesischen ist es im letzten Teil der extradiegetische Erzähler.

B13

Pensamento do mendigo: “Essa mulher é doida ou roubou o dinheiro porque milionária ela não pode ser”, milionária era para ele apenas uma palavra e mesmo se nessa mulher ele quisesse encarnar uma milionária não poderia porque: Gedanken des Bettlers: «Diese Frau muß übergeschnappt sein, oder sie hat das Geld gestohlen, denn eine Millionärsfrau kann sie nicht sein», ‹Millionärsfrau› war für ihn nicht mehr als ein Wort, und selbst wenn diese Frau wirklich die Verkörperung einer Millionärsfrau für ihn gewesen wäre, hätte er nichts damit anfangen können, denn: onde já se viu milionária ficar parada de pé na rua, gente? (A Bela: 143) «Wo gibt’s denn so was, Millionärsfrauen stehen doch nicht einfach auf der Straße herum, Mann!?» (Die Dame: 137)

In Beispiel B14 finden sich im AT zwei direkt aufeinander folgende Sätze, welche jeweils durch doppelte Anführungszeichen markiert sind. Im ZT werden doppelte Anführungszeichen nur einmal geöffnet und einmal geschlossen. Wieder entsteht dadurch eine eindeutig ungewöhnliche Pause im portugiesischen Text, welche im deutschen gar nicht markiert ist.

B14

“A beleza assusta.” “Se eu não fosse tão bonita teria tido outro destino”, pensou ajeitando as flores douradas sobre os negríssimos cabelos. (A Bela: 140s) «Schönheit ist erschreckend. Wäre ich nicht so schön, wäre mein Schicksal ein anderes gewesen», überlegte sie, während sie die goldenen Blüten in ihrem blauschwarzen Haar zurechtzupfte. (Die Dame:134)

In Beispiel B15 wird im AT ein Begriff (dava mais) durch doppelte Anführungszeichen hervorgehoben, während in der Übersetzung keine Hervorhebung zu finden ist. Tatsächlich ist die Übersetzung dieses Satzes eine starke Interpretation. Indem die Anspielung auf eine Versteigerung ("o homem que "dava mais"") im Deutschen abgeschwächt ist und nur mehr auf den sozialen Status des Mannes anspielt, fehlt hier der bestechend plastische Vergleich der Brautschau mit einer Versteigerung, auch wenn dies im Folgesatz deutlich wird: "Vendera-se"/ "Sie hatte sich verkauft".

B15

Sim, casara-se pela primeira vez com o homem que “dava mais”, ela o aceitara porque ele era rico e era um pouco acima dela em nível social. (A Bela: 141) Ja, sie hatte ihren ersten Mann genommen, weil er reich war und einer etwas höheren gesellschaftlichen Schicht angehörte als sie. (Die Dame: 135)

Zuletzt soll auf weitere Besonderheiten in der Verwendung von Satzzeichen eingegangen werden, deren Übersetzung als stark interpretierend gewertet werden können. In Beispiel B16 Wird im ZT ein Ausrufezeichen gesetzt, während im AT nur ein Punkt steht. In Beispiel B17 ist im AT eine starke Hervorhebung eines Wortes (gritava) durch Trennung der Silben innerhalb des Wortes mit Bindestrichen sowie drei Ausrufezeichen nach dem Wort mitten im Satz. In der Übersetzung ist kein Wort besonders hervorgehoben und es wurden keine Satzzeichen eingefügt.

B16

Bem. (A Bela: 138) Nun gut! (Die Dame: 131)

B17

O mundo gri-ta-va!!! pela boca desdentada desse homem. (A Bela: 139) Die Welt brüllte aus dem zahnlosen Mund dieses Mannes. (Die Dame: 133)

Es lässt sich erkennen, dass der Umgang mit Satzzeichen in beiden Übersetzungen nicht durchgehend kohärent einer Systematik folgt. Außerdem lässt sich eine stark interpretierende Lesart bei Die Dame und das Ungeheuer feststellen. Die erste Übersetzung scheint in diesem Aspekt konsequenter, doch mag dies auch daran liegen, dass im Ausgangstext Amor nicht so viele markierte Zitate oder Gedanken zu finden sind. Die Hervorhebung einzelner Begriffe fehlt hier völlig. Dennoch fällt bei der zweiten Übersetzung auf, dass parallel unterschiedliche Strategien in der Übersetzung der suprasegmentalen Zeichen angewandt werden. Die interpretierende Lesart geht so weit, dass im AT nicht markierte Begriffe markiert werden oder umgekehrt, Markierungen aus dem AT nicht in den ZT übersetzt werden. Während die Satzunterbrechungen durch Gedankenstriche bei Clarice Lispector häufig den Lesefluss stocken lassen oder auch überraschende Wendungen ankündigen, wird dies in beiden Übersetzungen nicht immer nachgeahmt. Dadurch wird die Lesart auf unterschiedlich, hervorgehobene Begriffe gelenkt und der Leserhythmus ist ein maßgeblich anderer.

Es muss offen bleiben, welchen Anteil Lektorat und Verlag und welchen Anteil die Übersetzer an diesem Aspekt der interpretierenden Lektüre hatten.

3.2 Wiederholungen

In diesem Abschnitt soll der Umgang mit einzelnen Wiederholungen ganzer Sätze und der Wiederholung einzelner Begriffe im AT und im ZT untersucht werden. Hier werden die ausgangssprachlichen Begriffe mal-estar und espanto/espantado/espantada betrachtet; diese wurden zum einen gewählt, da sie in beiden Erzählungen mehrfach vorkommen, zum anderen aufgrund der Bedeutung, welche diesen Begriffen, unter vielen anderen11, bei Clarice LISPECTOR durch die Literaturwissenschaft beigemessen wird.

Im Folgenden werden jeweils einige Beispiele aus Liebe, Beispiele A4-A7, und darauf folgend einige Beispiele aus Die Dame, Beispiele B17-B22, aufgeführt. Die Reihenfolge der Zitate entspricht nicht der Reihenfolge im Erzählverlauf, sondern ist nach Analysekategorien sortiert.

In Amor kommen zwei Sätze, A4 und A5, je zweimal in identischer Wiederholung vor. In der Übersetzung wird diese Wiederholung nachgeahmt.

A4

De que tinha vergonha? (Laços 2x: 34) Wovor schämte sie sich? (Die Nachahmung 2x: 28)

A5

Assim ela o quisera e o escolhera. (Laços:28- 29) So hatte sie es gewollt und gewählt. (Die Nachahmung:20-21)

An anderer Stelle wird im AT ein Satz nahezu wortlautgetreu wiederholt, die Übersetzung allerdings wählt zwei unterschiedliche Begriffe für das portugiesische Substantiv o mal, in A6 wird Unglück verwendet, in A7 das Böse.

A6

Mas o mal estava feito. (Laços: 30) Aber das Unglück war geschehen. (Die Nachahmung: 23)

A7

O mal estava feito. (Laços: 30) Das Böse war geschehen. (Die Nachahmung: 23)

Während in den ersten Fällen für eine Nachahmung der Wiederholung des AT im ZT optiert wird, weicht der zweite Fall von dieser Übersetzungsstrategie ab. Es wird erkennbar, dass auch hier parallel verschiedene Übersetzungsstrategien zur Anwendung kommen. Dies erscheint besonders bemerkenswert, da "o mal" ein wichtiger Begriff bei Clarice LISPECTOR ist, der immer wieder vorkommt.

Die Wiederholungen in A Bela sind eher auf Wortebene angesiedelt, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:

B18

Estava exposta àquele homem. Estava completamente exposta. (A Bela: 135) Sie war diesem Mann ausgeliefert, vollkommen ausgeliefert. (Die Dame: 129)

B19

De repente – de repente tudo parou. (A Bela: 138) Plötzlich – plötzlich blieb alles stehen. (Die Dame: 132)

Die Wiederholungen des ATs werden in den Beispielen B18 und B19 im ZT ebenfalls durch Wiederholung nachgeahmt. Doch ist dies nur eine von verschiedenen Übersetzungsstrategien bei Wiederholungen:

B20

Enquanto isso a cabeça dele pensava: comida, comida, comida boa, dinheiro, dinheiro. Unterdessen arbeitete sein Kopf wie verrückt: Essen, Essen, gutes Essen, Geld, Geld. A cabeça dela era cheia de festas, festas, festas. (A Bela: 137) Ihr Kopf war ein einziges Fest, ein großes rauschendes Fest. (Die Dame: 130)

Beispiel B20 zeigt, wie in zwei konsekutiven Sätzen zwei unterschiedliche Strategien bei der Übersetzung von Wiederholungen angewandt werden. Im ersten Satz wird die Wiederholung ebenso nachgeahmt wie in B18 und B19. Im zweiten Satz von B20 wird die dreifache Wiederholung von festas im AT durch eine zweifache Wiederholung von Fest sowie drei unterschiedliche Adjektive (einziges, großes, rauschendes) übersetzt. Eine ähnliche Strategie ist in B21 und B22 erkennbar:

B21

– É que, é que eu tenho medo de, de, de, de cantar bem... (A Bela: 146) «Es ist, es ist, daß ich Angst habe, Angst habe… Angst… Angst davor, gut zu singen…» (Die Dame: 139)

B22

“Eu sou uma chama acesa! E rebrilho e rebrilho toda essa escuridão!” (A Bela: 128) «Ich bin eine lodernde Flamme! Ich strahle und erleuchte diese Dunkelheit immer aufs neue!» (Die Dame: 134)

In B21 wird die nur durch Kommata getrennte vierfache Wiederholung der Konjunktion de durch die ebenfalls vierfache Wiederholung des Substantivs Angst übersetzt. Im ZT wird nicht nur das Substantiv wiederholt, sondern zunächst das Substantiv plus Verb, das dritte Mal nur das Substantiv, das vierte Mal wird im Anschluss der Satz zu Ende geführt. Wiederholung zwei und drei ziehen jeweils drei Punkte nach sich. Beispiel B22 zeigt die Übersetzung der Wiederholung der Verbform rebrilho durch zwei verschiedene durch die Konjunktion und verknüpfte Verben im Deutschen strahle und erleuchte. Diese Vorgehensweise ist derjenigen im zweiten Teil von B20 sehr ähnlich. Es zeigt sich, dass in Liebe der Umgang mit Wiederholungen in diesem ersten Fall weniger kohärent ist als in Die Dame. In Liebe wird an zwei Stellen die Wiederholung im AT im ZT nachgeahmt, an einer weiteren Stelle nicht. In Die Dame werden in den Beispielen Wiederholungen im AT durch Wiederholungen im ZT wiedergegeben, allerdings möglicherweise auf andere Wortarten oder Satzteile verteilt. Die Strategie ist also kohärenter.

3.2.1 Espanto, com/em espanto, espantado/a

Im folgenden Abschnitt wird der Umgang mit Wiederholungen des Substantivs espanto, der abgeleiteten adverbialen Bestimmungen com espanto/em espanto sowie des Adjektivs espantado/a in beiden Erzählungen in AT und ZT untersucht. Dieser Begriff markiert im Universum Lispectors in den allermeisten Fällen den Übergang einer Figur in einen anderen Zustand, die Schwelle zur Epiphanie oder zum Wahnsinn (was häufig in eins fällt). Er kommt in vielen ihrer Texte sehr häufig vor.

Zur besseren Übersichtlichkeit wurden die Übersetzungen und die Begriffe im Ausgangstext fett hervorgehoben.

A8

Olhando os móveis limpos, seu coração se apertava um pouco em espanto. Wenn sie die abgestaubten Möbel sah, krampfte sich ihr Herz ein wenig erstaunt zusammen. Mas na sua vida não havia lugar para que sentisse ternura pelo seu espanto — ela o abafava com a mesma habilidade que as lides em casa lhe haviam transmitido. (Laços: 28) Doch in ihrem Leben war kein Raum dafür, daß sie für ihr Staunen Zärtlichkeit empfand – sie dämpfte es mit der gleichen Geschicklichkeit, die sie durch ihre tägliche Arbeit im Haus gelernt hatte. (Die Nachahmung: 21)

A9

E sua marca era o prazer intenso com que olhava agora as coisas, sofrendo espantada. (Laços: 30) Das Zeichen dafür, war das unerhörte Vergnügen, mit dem sie nun überrascht und bestürzt, die Dinge betrachtete. (Die Nachahmung: 23)

A10

O vigia apareceu espantado de não a ter visto. (Laços: 33) Der Wächter erschien, verwundert, daß er sie nicht gesehen hatte. (Die Nachahmung: 27)

A11

Apertou-o com força, com espanto. (Laços: 33) Sie drückte ihn kräftig an sich, verwundert. (Die Nachahmung: 27)

A12

Um cego me levou ao pior de mim mesma, pensou espantada. (Laços: 34) Ein Blinder hat mich zum Schlimmsten meines Ich geführt, dachte sie verwundert. (Die Nachahmung: 28f)

In den Beispielen A8-A12 werden im ZT drei verschiedene Adjektive verwendet: erstaunt, überrascht, verwundert, um espantado und em/com espanto zu übersetzen. Verwundert wird hierbei in drei von fünf Fällen verwendet. Das Substantiv espanto kommt nur einmal in dieser Funktion vor und wird dort mit Staunen übersetzt. Hier, in Liebe, zeigen sich wieder konkurrierende Übersetzungsstrategien, einerseits wird ein Adjektiv wiederholt, doch wird es nicht in allen Fällen verwendet. Besonders in diesem Fall ist es bemerkenswert, dass nicht eine durchgehende Übersetzung für diesen wichtigen Begriff gefunden wurde, da er sich so häufig wiederholt und so wichtig ist für den Verlauf der Erzählung und er dreimal gleich übersetzt wurde.

B23

Ela estava espantada: como praticamente não andava na rua – era de carro de porta à porta – chegou a pensar: ele vai me matar? (A Bela: 136) Sie war verblüfft: da sie sich praktisch nie auf der Straße aufhielt – sie wurde mit dem Wagen von Tür zu Tür gefahren – überlegte sie sogar: «Wird er mich jetzt umbringen?» (Die Dame: 129)

B24

– O que a pessoa pode dar e quer dar – respondeu o mendigo espantadíssimo. (A Bela: 136) «Jeder gibt, was er geben kann und was er geben mag», antwortete der Bettler verdutzt. (Die Dame: 129)

B25

O mendigo olhou-a espantado. (A Bela: 136) Entgeistert sah der Bettler sie an. (Die Dame: 130)

B26

Espantada pelos enormes gritos do homem, começou a suar frio. (A Bela:142) Vor Schreck über die lauten Schreie des Mannes brach ihr der kalte Schweiß aus. (Die Dame:136)

In A Bela kommt nur das Adjektiv espantado/a vor, in einem Fall im Superlativ espantadíssimo. Die Übersetzungen sind in jedem der vier Beispiele unterschiedlich: verblüfft, verdutzt, entgeistert, vor Schreck. Hier ist also eine durchgehende Übersetzungsstrategie erkennbar, welche die Wiederholung desselben Wortes im ZT vermeidet. In Die Dame ist die Übersetzungsstrategie auch in diesem Einzelfall kohärenter, wenn auch die zentralen Bedeutung des Begriffs in den Übersetzungen nicht erkennbar ist, da es nicht ein Begriff ist, sondern mehrere.

3.2.2 Mal-estar, ter um mal-estar

Im Folgenden wird der Umgang mit Wiederholungen des Subtantivs mal-estar in den beiden Erzählungen in AT und ZT betrachtet. Auch hier werden die Übersetzungen zum besseren Verständnis fett hervorgehoben.

A13

O mundo se tornara de novo um mal-estar. (Laços: 30) Die Welt war wieder Unbehagen. (Die Nachahmung: 23)

A14

E de repente, com mal-estar, pareceu-lhe ter caído numa emboscada. (Laços: 32) Und plötzlich hatte sie das dumpfe Gefühl, in einen Hinterhalt geraten zu sein. (Die Nachahmung: 25)

Die Übersetzungen für mal-estar werden in der Erzählung Liebe nicht wiederholt. Einmal wird das Substantiv Unbehagen verwendet, das zweite Mal die Adjektiv-Substantiv-Verbindung das dumpfe Gefühl. Die Übersetzungsstrategie ist an dieser Stelle kohärent insofern sie im ZT eine Wiederholung vermeidet.

In Die Dame erscheint mal-estar in Verbindung mit dem Verb ter. In den Übersetzungen werden zwei verschiedene Adjektiv-Verb-Verbindungen gewählt: sich nicht wohl fühlen in B27 und schwindlig werden in B28. Damit ist auch hier die Strategie einer Vermeidung von Wiederholung im ZT auch hier kohärent.

B27

E mesmo que não fingissem iam ter um mal-estar. (A Bela: 142) Aber auch wenn sie nicht so täten, würden sie sich nicht wohl fühlen. (Die Dame: 136)

B28

Sentiu-se tão, tão rica que teve um mal-estar. (A Bela: 143) Sie fühlte sich so reich, so wahnsinnig reich, daß ihr schwindlig wurde. (Die Dame: 137)

Ebenso wie "espanto" markiert auch das "mal-estar" bei Clarice Lispector einen anderen Zustand der Epiphanie, der sich auch in körperlicher Übelkeit (auch "náusea") zeigen kann. Im Kontext dieser beiden Erzählungen sind sowohl "espanto" als auch "mal-estar" in dieser Funktion zu sehen12. Die Tatsache, dass die Übersetzungen jeweils unterschiedliche deutsche Begriffe wählen, macht deutlich, dass ein übersetzter Text den Anspruch einer Repräsentation des Ausgangstextes nicht zu erfüllen in der Lage ist. An dieser Stelle soll kein Urteil über die Qualität gefällt werden, vielmehr soll anhand dieser Beispiele verdeutlicht werden, dass jede notwendige übersetzerische Entscheidung eine Interpretation darstellt.

Zwar könnten noch weitere Wiederholungen in Ziel- und Ausgangstext untersucht werden, doch sollen zunächst die genannten Beispiele genügen, um einen Eindruck der verwendeten Strategien zu geben. Es fällt auf, dass bei jedem der genannten Fälle von Wiederholung im AT in den beiden Zieltexten je unterschiedliche Strategien im Umgang mit diesen Wiederholungen gewählt werden. In Liebe ist besonders bemerkenswert, wie sehr die Entscheidungen von Fall zu Fall divergieren. Im Gegensatz dazu erscheinen die Strategien in Die Dame recht kohärent.

Zuletzt soll auf auffällige und überraschende Besonderheiten in beiden Übersetzungen eingegangen werden.

4 Besonderheiten der Übersetzungen

In beiden Texten sind einige ungewöhnliche Vorgehensweisen bei der Übersetzung zu finden. In Liebe zeigt sich an drei Stellen etwas, das als ein Streben nach graphischer bzw. phonetischer Äquivalenz gewertet werden kann. Die relevanten Wörter bzw. Satzzeichen wurden fett markiert.

A15

No tronco da árvore pregavam-se as luxuosas patas de uma aranha. (Laços: 32) An einem Baumstamm hafteten die leuchtenden Beine einer Spinne. (Die Nachahmung: 25f)

A 16

Ouvia o sino da escola, longe e constante. (Laços: 35) Sie hörte die Schulglocke läuten, lang und anhaltend. (Die Nachahmung: 29)

In den Beispielen A15 und A16 fällt auf, dass die Adjektive longe und luxuosas nicht nach dem üblichen Muster einer semantischen Äquivalenz übersetzt wurden. Die Begriffe, die im ZT verwendet wurden, nähern sich nicht auf semantischer Ebene an. Würden sie dies tun, hätte beispielsweise weit fort und luxuriös gewählt werden können. Doch die Übersetzungen lauten lang und leuchtend. Die angestrebte Äquivalenz findet sich hier also nicht auf semantischer Ebene, sondern auf phonetischer oder graphischer. Diese Vorgehensweise ist beim Übersetzen zwar ungewöhnlich, doch durchaus möglich13, in jedem Fall aber bemerkenswert.

In A17 findet auf graphischer Ebene möglicherweise eine vergleichbare Strategie Anwendung: Im ZT wird ein Gedankenstrich gesetzt, wo im AT ein Bindestrich, regelgemäß, das Reflexivpronomen se mit dem Verb penteava verbindet. Somit wird eine graphische Äquivalenz erzielt, die kaum eine semantische Funktion erfüllt. Auch dies ist als Übersetzungsstrategie bemerkenswert.

A 17

E, se atravessara o amor e o seu inferno, penteava-se agora diante do espelho, por um instante sem nenhum mundo no coração. (Laços: 37) Und wenn sie auch die Liebe und ihre Hölle durchquert hatte – jetzt kämmte sie sich vor dem Spiegel, für einen Augenblick ohne einen Funken Welt im Herzen. (Die Nachahmung: 31)

In der Übersetzung von A Bela findet sich eine ‚korrigierende' Übersetzung. Die relevanten Zahlwörter werden auch hier fett hervorgehoben:

B29

Pensou: “estou casada, tenho três filhos, estou segura.” (A Bela: 134) Sie dachte: „Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder, ich bin abgesichert.“ (Die Dame: 128)

B30

Até mesmo os dois filhos – pois bem, fora o marido que determinara que teriam dois... (A Bela: 138) Selbst die beiden Kinder – nun ja, ihr Ehemann hatte bestimmt, daß sie zwei haben sollten… (Die Dame: 132)

Die hier angewandte Übersetzungsstrategie zeigt klar ein Streben nach semantischer Kohärenz im ZT. In B29 heißt es im AT, die Figur habe três filhos, in B30 sind es nur dois. Die Übersetzung macht den Text semantisch kohärent, indem sie die Frage nach der Anzahl der Kinder eindeutig beantwortet: es sind zwei. Die Interpretation des AT, die hier zum Tragen kommt, deutet klar auf einen angenommenen Fehler im AT hin und ist eine häufig angewandte Strategie, auch seitens von Verlagen.

5 Fazit: Interpretationen und Sichtbarmachungen

A translated text, whether prose or poetry, fiction or nonfiction, is judged acceptable by most publishers, reviewers, and readers when it reads fluently, when the absence of any linguistic or stylistic peculiarities makes it seem transparent, giving the appearance that it reflects the foreign writer's personality or intention or the essential meaning of the foreign text - the appearance, in other words, that the translation is not in fact a translation, but the "original." (VENUTI 1995: 1VENUTI, Lawrence. The Translator's Invisibility A History of Translation. London and New York: Routledge,1995.)

Ziel der Untersuchung einiger Passagen zweier Erzählungen von Clarice Lispector in Übersetzung durch verschiedene Übersetzer war es, auf die Übersetztheit der Texte hinzuweisen, das heißt, anhand unterschiedlicher Phänomene die verschiedenen angewandten Übersetzungsstrategien und die damit verbundenen Interpretationen sichtbar zu machen. Weder die literaturwissenschaftliche Rezeption der Texte noch deren gesamte Übersetzung konnte erschöpfend betrachtet werden, doch wurde auf einige Besonderheiten hingewiesen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Umgang mit verschiedenen AT- Phänomenen unterschiedlich ausfällt. Während in Die Dame bezüglich unterschiedlicher Wiederholungen AT eine relativ stringente Strategie für den Umgang im ZT zu erkennen ist, ist dies in Liebe nicht so eindeutig festzustellen. Liebe optiert mal für die Wiederholung einzelner Begriffe, mal nicht. Die Dame dagegen tendiert zur Vermeidung der Wiederholung, was eine legitime Strategie darstellt. Die Interpretation, die dadurch allerdings geschieht, bedeutet ein Verschwinden der Wiederholung und damit der Hervorhebung einzelner Begriffe. Da eine massive Lispector-Rezeption in den Jahren seit den hier verwendeten Übersetzungen stattgefunden hat, wäre womöglich heute eine andere Übersetzungsstrategie bei diesen wichtigen Begriffen anzuwenden. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr die Aktualität einer Übersetzung von der Rezeption der Autoren abhängt und wie eine Übersetzung an Aktualität verlieren kann.

Kaum eine eindeutig kohärente Strategie ist bei der Übersetzung von Anführungszeichen zu erkennen, eher noch bei Liebe als bei Die Dame. Hierdurch wird an verschiedenen Stellen allerdings die Erzählperspektive verändert. Auch dies ist eine legitime Übersetzungsstrategie, zeigt aber erneut den fundamentalen Unterschied zwischen Ausgangstext und Zieltext.

Schließlich ist bemerkenswert, dass in Liebe an drei Stellen offenbar eine phonetische bzw. graphische Äquivalenz angestrebt wird, was eine außergewöhnliche Übersetzungsstrategie darstellt. In diesen Fällen handelt es sich ebenfalls um eine zwar bei Literaturübersetzungen nicht sehr übliche, aber doch mögliche Strategie. Sie findet sich häufiger bei Lyrikübersetzungen und wurde in verschiedenen Avantgarde-Bewegungen angewandt14. Ebenso bemerkenswert, jedoch weitaus üblicher, ist die ‚Korrektur' eines ‚Fehlers' im AT in der Übersetzung in Die Dame.

Bezüglich der Sichtbarkeit der Übersetzer und der Übersetzungen lässt sich anhand der untersuchten Aspekte der Übersetzungen feststellen, dass beide Texte stark interpretieren und somit die Übersetzung potenziell im ZT sichtbar machen. Allerdings findet dies nur innerhalb des Textes statt und ist dadurch für den zielsprachlichen

Muttersprachler nicht erkennbar. Paratexte, welche auf angewandte Strategien und Interpretationen und somit die Übersetztheit der Texte hinweisen könnten, fehlen völlig. Stattdessen macht sich der Übersetzer von Liebe als Experte für die Autorin sichtbar. Die Übersetzung ist also nur schwer als solche erkennbar, der Übersetzer bleibt (als Übersetzer) unsichtbar und der Zieltext enthält implizit das Postulat den Ausgangstext vollständig zu repräsentieren. Dies ist letztlich die gängige Praxis des Umgangs mit Übersetzungen, welche allerdings mittlerweile nicht mehr nur von Translationswissenschaftlern kritisiert wird.

Literaturverzeichnis

  • ARROJO, Rosemary, ‚Gedanken zur Translationstheorie und zur Dekonstruktion des Logozentrismus'. In: Wolf, Michaela (Hg) Übersetzungswissenschaft in Brasilien. Beiträge zum Status von "Original" und Übersetzung. Tübingen: Stauffenberg Verlag Brigitte Narr, 1997, .63-70.
  • KÜPPER, Klaus, Bibliographie der brasilianischen Literatur Prosa, Lyrik, Essay und Drama in deutscher Übersetzung. Verlag Klaus Küpper: Köln in Zusammenarbeit mit Verlag Teo Ferrer de Mesquita: Frankfurt am Main, 2012.
  • LISPECTOR, Clarice, Laços de Família. Lisboa: Relógio D'Água, 1990 [1960].
  • _____. A Bela e a Fera. Rio de Janeiro: Editora Nova Fronteira, 1979.
  • _____. / MEYER-CLASON, Curt: Die Nachahmung der Rose. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1985 (Mit übersetzten Contos aus Laços de Família und A imitação da rosa) .
  • _____./ BRANDT, Sarita: Die Dame und das Ungeheuer. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 1990 (Auf Basis der portugiesischen Ausgabe von 1979) .
  • MONTERO Ferreira, Teresa Cristina Eu sou uma pergunta uma biografia de Clarice Lispector. Rocco: Rio de Janeiro, 1999.
  • SOMERLATE, Barbosa Maria José, Clarice Lispector Mutações Faiscantes - Sparkling Mutations. Belo Horizonte: Gam Editora, 1998.
  • VENUTI, Lawrence. The Translator's Invisibility A History of Translation. London and New York: Routledge,1995.
  • WINK, Georg et al., ‚Einleitung'. In: KLENGEL, Susanne / QUANDT, Christiane / Schulze, Peter W / WINK, Georg (Hg) Novas Vozes. Zur brasilianischen Literatur im 21. Jahrhundert. Iberoamericana Vervuert: Frankfurt am Main, 2013, 9-22 .
  • 2
    Die Problematiken dieser ‚gelenkten' Rezeption sollen an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden.
  • 3
    1964 erschien "Der Apfel im Dunkeln" beim Claassen Verlag, übersetzt von Meyer-Clason, 1966 folgte die Anthologie "Die Nachahmung der Rose". Er übersetzte auch "Die Sternstunde" (1985) sowie diverse Einzeltexte, die in Anthologien erschienen (vgl. KÜPPER 2012: 240-245KÜPPER, Klaus, Bibliographie der brasilianischen Literatur Prosa, Lyrik, Essay und Drama in deutscher Übersetzung. Verlag Klaus Küpper: Köln in Zusammenarbeit mit Verlag Teo Ferrer de Mesquita: Frankfurt am Main, 2012.)
  • 4
    Von ihr wurden übersetzt "Água viva" (1994), die Anthologie "Die Dame und das Ungeheuer" (1990), "Eine Lehre oder das Buch der Lust" (1988), "Wo warst du in der Nacht" (1996), "Von Traum zu Traum" (1992) sowie diverse Einzeltexte, die in Anthologien erschienen (vgl. Küpper 2012: 240-245KÜPPER, Klaus, Bibliographie der brasilianischen Literatur Prosa, Lyrik, Essay und Drama in deutscher Übersetzung. Verlag Klaus Küpper: Köln in Zusammenarbeit mit Verlag Teo Ferrer de Mesquita: Frankfurt am Main, 2012.).
  • 5
    "Nahe dem wilden Herzen" wurde 1981 erstmals von Ray-Güde Mertin ins Deutsche übersetzt. Die neue Ausgabe bei Schöffling ist von Corinna Santa Cruz auf Basis der brasilianischen Erstausgabe überarbeitet.
  • 6
    "Der Lüster" wurde für die Gesamtausgabe erstmals 2013 von Luis Ruby ins Deutsche übersetzt.
  • 7
    Durch die brasilianische Regierung sowie durch die Brasilianische Botschaft.
  • 8
    Um die Texte eindeutig zu unterscheiden wird die ausgangssprachliche Autorin sowie der Übersetzer/die Übersetzerin beim Zitieren angegeben.
  • 9
    Bei beiden Klappentexten ist das Geburtsjahr Lispectors als 1925 angegeben, dieser Fehler war lange in Umlauf, auch durch die Autorin selbst, konnte jedoch mittlerweile anhand der Geburtsurkunde korrigiert werden auf 1920. Somit hat Lispector ihren Debütroman mit 23 Jahren und nicht wie angenommen mit 17 Jahren verfasst (vgl. MONTEIRO-FERREIRA 1999: 58MONTERO Ferreira, Teresa Cristina Eu sou uma pergunta uma biografia de Clarice Lispector. Rocco: Rio de Janeiro, 1999. sowie SOMERLATE BARBOSA 1998: 20SOMERLATE, Barbosa Maria José, Clarice Lispector Mutações Faiscantes - Sparkling Mutations. Belo Horizonte: Gam Editora, 1998. und MOSER 2013: 52).
  • 10
    In den betrachteten deutschen Texten werden die Guillemets oder französischen Anführungszeichen unterschiedlich geöffnet und geschlossen. Dies wird in den Zitaten übernommen.
  • 11
    Wie beispielsweise náusea, nojo, piedade, prazer, amor etc.
  • 12
    Vgl. hierzu insbesondere Scharold, Irmgard (2000): Epiphanie, Tierbild, Metamorphose, Passion und Eucharistie; Zur Kodierung des ‚Anderen' in den Werken von Robert Musil, Clarice Lispector und J.M.G. Le Clézio. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter.
  • 13
    Diese Praxis fand beispielsweise durch Ezra POUND in seiner viel kritisierten "Homage to Sextus Propertius" Anwendung.
  • 14
    vgl. Fußnote 12 sowie einige Transkreationen von Haroldo de CAMPOS.

Publication Dates

  • Publication in this collection
    Jan-Jun 2015

History

  • Received
    16 Oct 2014
  • Accepted
    15 Mar 2015
Universidade de São Paulo/Faculdade de Filosofia, Letras e Ciências Humanas/; Programa de Pós-Graduação em Língua e Literatura Alemã Av. Prof. Luciano Gualberto, 403, 05508-900 São Paulo/SP/ Brasil, Tel.: (55 11)3091-5028 - São Paulo - SP - Brazil
E-mail: pandaemonium@usp.br