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Plurilingual und plurikulturell, noch eurozentrisch? Ein Entwicklungsvergleich des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens und seines Begleitbandes

[Plurilingual and pluricultural, still Eurocentric? A comparison of the development of the Common European Framework of Reference and its accompanying volume]

Zusammenfassung:

Mit der Veröffentlichung des Begleitbandes ( GeRB , 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020. ) zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ( GeR , 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) wird auf Kritik am ursprünglichen GeR reagiert und Neuerungen dargeboten. In diesem Artikel wird der GeR zunächst in seinen historischen und sprachpolitischen Kontext eingeordnet und seine eigentlichen Ziele, häufige Missverständnisse und Kritikpunkte erläutert. Anschließend werden die Neuerungen des Begleitbandes ( GeRB ), namentlich zu plurikulturellen und plurilingualen Kompetenzen sowie zur Mediation untersucht. Außerdem wird der Fragestellung nachgegangen, ob der GeRB von seinem eurozentrisischen Blickwinkel abgekommen ist.

Stichwörter:
GeR; Begleitband; Plurilingualismus; Mediation; Eurozentrismus

Abstract:

The publication of the Companion Volume (CV, 2018 Burwitz-Melzer, Eva. Konzepte und Skalen zu Plurikulturalität und Plurilingualität im Companion Volume, 2018. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Zugang am 21. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.dgff.de/assets/Uploads/ZFF-2-2019-03- BurwitzMelzer.pdf
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) to the Common European Framework of Reference (CEFR, 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) responds to criticism of the original CEFR and presents innovations. In this article, the CEFR is first placed in its historical and language policy context whereby its actual goals, common misunderstandings, and criticisms are explained. Specifically, the innovations in the Companion Volume with regard to pluricultural and plurilingual competencies, and mediation, are examined. Moreover, the question of whether the CV has moved away from its Eurocentric perspective is explored.

Keywords:
CEFR; Companion Volume; plurilingualism; mediation; Eurocentrism

Resumo:

A publicação do Companion Volume (CV, 2018 Burwitz-Melzer, Eva. Konzepte und Skalen zu Plurikulturalität und Plurilingualität im Companion Volume, 2018. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Zugang am 21. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.dgff.de/assets/Uploads/ZFF-2-2019-03- BurwitzMelzer.pdf
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) do Quadro Europeu Comum de Referência (QECR, 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) responde às críticas ao QECR original e oferece inovações. Neste artigo, o QECR é primeiramente apresentado em seu contexto histórico e linguístico. Em seguida, são discutidos os objetivos reais do documento, assim como são explicados os frequentes mal-entendidos e pontos de crítica. Sucessivo são examinadas as inovações do Companion Volume , ou seja, as competências pluriculturais e plurilíngues, bem como a mediação. Além disso, explora-se a questão de o CV ter se afastado de sua perspectiva eurocêntrica.

Palavras-chave:
QECR; Companion Volume; plurilinguismo; mediação; eurocentrismo

1 Einführung

„Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen: Ein Schatzkästlein mit Perlen, aber auch mit Kreuzen und Ketten”, so lautet der treffende Titel eines Artikels von Jürgen Quetz aus dem Jahr 2003Quetz, Jürgen. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen. Ein Schatzkästlein mit Perlen, aber auch mit Kreuzen und Ketten ... . In: Bausch, K.-R.; Christ, H.; Königs, F. G.; Krumm, H.-J. (Hrsg.). Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen in der Diskussion. Arbeitspapiere der 22. Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts. Tübingen: Narr, 2003, 145-155. . Bereits zwei Jahre nach Veröffentlichung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen ( GeR 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) wurden Lob und Kritik an ihm laut. Vor allem in seiner europäischen Heimat war er mehrheitlich von Erfolg gekrönt, ermöglichte er doch u.a. die länderübergreifende Vergleichbarkeit verschiedener Sprachzertifikate, um einen Maßstab für den Erwerb von Sprachkenntnissen zu schaffen. Gleichzeitig wurde genau dieser Aspekt von bildungspolitischen Institutionen innerhalb der Europäischen Union (EU) beinahe missbraucht, indem der GeR als eine Art „gatekeeper” ( Quetz & Vogt 2021Quetz, Jürgen; Vogt, Karin. Einleitung zum Sammelband. In: Quetz, J.; Vogt, K. (hrsg.). Der neue Begleitband zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Berlin: Peter Lang, 2021, 7-34. ), d.h. für migrationspolitische Absichten zweckentfremdet wurde. Erstaunlich war der internationale Erfolg des GeR, wurde er doch im weiten Kontext der Nachkriegszeit durch den Europarat entwickelt und u.a. auf dem Ideal gegründet, eine gemeinsame europäische Identität zu schaffen. Trotz seiner eurozentrischen Perspektive, die vor allem international einer der Kritikpunkte am GeR ist, waren es vor allem die Globalskala mit ihren sechs Kompetenzniveaus sowie die Kann-Beschreibungen, die an Bildungseinrichtungen weltweit Verwendung fanden und worauf der GeR häufig reduziert wurde. Zwei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung des Referenzrahmens erschien sein Begleitband ( GeRB 2018/ 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020. ), der auf die kritische Diskussion reagierte und grundlegende Neuerungen bot. Der GeRB stellt eine Ergänzung zum GeR dar, kann jedoch eigentlich als neuer Referenzrahmen angesehen werden ( Camerer 2021 Camerer, Rudi. Mediation: Kognitiv und beziehungsrelevant – Wie funktioniert das eigentlich?, 2021. Goethe-Institut. Zugang am 24. Mai 2022. Verfügbar unter: https://www.goethe.de/de/spr/eng/koo/22285744.html .
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). Als weitreichendste Neuerung des GeRB können die neuen Skalen für plurilinguale und plurikulturelle Kompetenz und insbesondere jene zur Mediation angesehen werden. Durch diese neuen Skalen wird die Konzeption einer mehrsprachigen und interkulturellen Bildung, die im GeR schon skizziert wurde, konkretisiert.

Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, die Neuerungen des Begleitbandes (GeRB), namentlich zu plurikulturellen und plurilingualen Kompetenzen sowie zur Mediation zu untersuchen und in Kontrast zu dem Originaldokument (GeR) und seinem historischen sowie sprachpolitischen Kontext zu stellen. Dabei wird der GeRB vor allem dahingehend untersucht, ob er weiterhin einem Eurozentrismus zugrundeliegt.

2 Ein historischer Umriss

2.1 Der Europarat und die europäische Sprachenpolitik

Der Europarat wurde 1949 mit dem Ziel der Friedensbildung und europäischen Integration gegründet und ist eine internationale Organisation, die 46 Staaten Europas umfasst. Dazu zählen nicht nur Länder der Europäischen Union (EU), weshalb er als eine Art Vereinte Nationen (UN) Europas angesehen werden kann, der ebenso die Förderung der Demokratie sowie den Schutz der Menschenrechte in Europa zum Ziel hat. Winston Churchill warf 1946 Europarat nach Churchill, Winston. Winston Churchill, speech delivered at the University of Zurich, 19 September 1946, o. J. Council of Europe. Zugang am 30. Mai 2022. Verfügbar unter: https://rm.coe.int/16806981f3 .
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die Frage auf, „warum es nicht eine europäische Gruppe geben sollte, die den verstörten Völkern dieses turbulenten und mächtigen Kontinents einen erweiterten Patriotismus und eine gemeinsame Staatsbürgerschaft verleiht” ( Europarat nach Churchill, o. J. ). 2 2 „Why should there not be a European group which could give a sense of enlarged patriotism and common citizenship to the distracted peoples of this mighty continent?” ( Europarat nach Churchill, o. J. ) Weiterhin betonte Churchill in seiner ‚Europa-Rede’, die in ihrer Wirkung als Startschuss zur Nachkriegseinigung Europas gilt, dass „damit dies erreicht werden kann, muss es einen Glaubensakt geben, an dem die Millionen von Familien, die viele Sprachen sprechen, bewusst teilnehmen müssen” (ebd.). 3 3 „In order that this may be accomplished there must be an act of faith in which the millions of families speaking many languages must consciously take part.” ( Europarat nach Churchill, o. J. ) Abschließend plädierte er, dass „unter und innerhalb dieses Weltkonzeptes die europäische Familie” wieder hergestellt werden müsse und „der erste praktische Schritt die Gründung eines Europarates” sei. (ebd.). 4 4 Under and within that world concept we must recreate the European family […] and the first practical step will be to form a Council of Europe.” ( uroparat nach Churchill, o. J. ) Man kann also festhalten, dass die Grundidee der Wegbereiter des Europarats darin bestand, ein Europa zu schaffen, dass sich sowohl aus Interkulturalität 5 5 Zusammenfassend bezeichnet der Begriff Interkulturalität das Aufeinandertreffen von zwei oder mehr Kulturen, bei dem es trotz kultureller Unterschiede zur gegenseitigen Beeinflussung kommt ( Altmayer 2021 ). als auch aus Vielsprachigkeit 6 6 Der Begriff Vielsprachigkeit bezieht sich laut des Europarats ( 2001 ) auf die Anzahl gelernter Sprachen bzw. die Koexistenz mehrerer Sprachen innerhalb einer Gesellschaft, die meist durch schulischen Sprachunterricht erreicht wird. Der Begriff Mehrsprachigkeit wird dahingehend verwendet, wenn sich "die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert" (ebd., S. 17). Eine kommunikative Kompetenz wird demnach durch alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen erreicht. Die verschiedenen Sprachen stehen miteinander in Beziehung und können flexibel eingesetzt werden. (ebd.) formierte. Aufgrund des historischen Kontexts war es jedoch das vordergründige Ziel zunächst Europas Bevölkerung zu vereinen und den Fokus allein auf den europäischen Raum zu legen.

Seit seiner Gründung beschäftigt sich der Europarat u.a. mit kultureller Zusammenarbeit und Sprachenpolitik Europas. Zwischen den 1970er und 1908er Jahren wurde der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) als Bottom-up-Projekt entwickelt, in den 1990er Jahren pilotiert und 2001 veröffentlicht.

Die EU verabschiedete zwischen 1998 und Anfang 2000 mit dem Vertrag von Lissabon eine formaljuristische Basis für Grundrechte, zu denen der Europarat bereits weitreichende Erfahrungen hatte ( Strassbourg, Ständige Vertretung Europarat 2022 Strassbourg, Ständige Vertretung Europarat. Europarat und EU - Gemeinsame Werte, 2022. Strassburg Europarat Diplo. Zugang am 6. Juli 2023. Verfügbar unter: https://strassburg-europarat.diplo.de/eurde/themen/-/2404720 .
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). An den Werten dieser Charta, die seither mehrfach angepasst wurde, orientiert sich auch der Europarat, nach welcher „Diskriminierung aufgrund der Sprache verboten” (Artikel 21) und auf „sprachliche Vielfalt zu achten (Artikel 22)” ist ( Europäische Union 2012 Europäische Union. EUR-Lex - Access to European Law, 2012. Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Zugang am Juli 2023. Verfügbar unter: https://eurlex.europa.eu/legalcontent/DE/TXT/?uri=CELEX:12012P/TXT .
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). Neben dem Schutz und der Förderung von Minderheitensprachen ist es bis heute außerdem Ziel, sowohl des Europarats als auch der Europäischen Kommission, den Sprachunterricht dauerhaft auszubauen ( European Comission, o. J. ). Im Januar 2007 wurde dabei der eigenständige Bereich „Mehrsprachigkeit" gegründet, der vor allem darauf abzielt, die europäische Bevölkerung sprachlich auszubilden. „Die Union betrachtet Mehrsprachigkeit als wichtiges Element der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Zu den Zielen der Sprachenpolitik der Union gehört deshalb, dass jeder Unionsbürger zusätzlich zu seiner Muttersprache zwei weitere Sprachen beherrschen sollte" ( Renard & Milt 2023 Renard, Olivier Yves Alain; Milt, Kristiina. Sprachenpolitik, 2023. Kurzdarstellungen zur Europäischen Union: Europäisches Parlament. Zugang am 10. Juni 2023. Verfügbar in: https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/142/language-policy .
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).

Im Jahr 2018 beschloss das Europa-Parlament eine Modernisierung des Bildungswesens in der EU und betonte, dass in weiterführenden Schulen der Unterricht in einer Nichtmuttersprache in mindestens zwei Fächern gefördert und das Lernen von Sprachen verbessert werden muss, sodass Studierende zwei Sprachen zusätzlich zu ihrer Muttersprache sprechen können ( Europäisches Parlament 2018 Europäisches Parlament. BERICHT über die Modernisierung des Bildungswesens in der EU, 2018. Europarl. Europa. Zugang am 20. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0173_DE.html .
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).

Problematisch an diesen Zielsetzungen ist einerseits die Verwendung des Begriffs Muttersprache im Singular. Erstens lässt er nicht erkennen, ob es sich dabei um jene Sprache handelt, die zuerst erworben wurde, am besten beherrscht oder am meisten verwendet wird oder aber mit welcher sich der/die Sprachverwendende 7 7 Der Begriff Sprachverwendende schließt im vorliegenden Beitrag alle Sprechenden einer Sprache ein. Auf die Differenzierung zwischen Muttersprachler:innen, Herkunftssprechenden und Sprechende einer Fremdsprache wird verzichtet. am meisten identifiziert. Zweitens vernachlässigt die Verwendung des Singulars jene Bürger:innen, die bereits mehr als eine Sprache beherrschen und konzentriert sich lediglich auf die frühzeitige Mehrsprachigkeitsförderung durch Bildungseinrichtungen. Infolgedessen werden Sprachen aus dem europäischen Raum implizit bevorzugt und andere unberücksichtigt gelassen, da schulischer Sprachunterricht europäische Sprachen, insbesondere das Englische präferiert, mehrsprachige Kinder jedoch häufig über ein Sprachrepertoire verfügen, das außereuropäische Sprachen mit einschließt 8 8 Neben Deutsch, sind Russisch, Türkisch und Arabisch die am häufigsten gesprochenen Sprachen in Haushalten in Deutschland ( Statisches Bundesamt 2023 ). .

Auch mit der Entschließung zur Gewährleistung von Schutz und Nichtdiskriminierung von Minderheiten innerhalb der EU, die das Europäische Parlament 2018 Europäisches Parlament. BERICHT über die Modernisierung des Bildungswesens in der EU, 2018. Europarl. Europa. Zugang am 20. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0173_DE.html .
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veröffentlichte, wird hauptsächlich Bezug auf die europäischen Länder und ihre Sprachen genommen. Darin wird das Recht auf Nutzung einer Minderheitensprache und die Vermittlung und Verwendung von Regional- und Minderheitensprachen zwar betont ( Renard & Milt 2023 Renard, Olivier Yves Alain; Milt, Kristiina. Sprachenpolitik, 2023. Kurzdarstellungen zur Europäischen Union: Europäisches Parlament. Zugang am 10. Juni 2023. Verfügbar in: https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/142/language-policy .
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), sich dabei aber ausschließlich auf „Gemeinschaften, in denen es mehr als eine Amtssprache gibt” (ebd.) bezogen. Mehrsprachige Bürger:innen, wie bspw. Migrant:innen aus nicht-europäischen Staaten werden nicht explizit erwähnt. Das politische Fundament der europäischen Union steht im direkten Widerspruch zu den heutigen Initiativen des Europarats, die mehrsprachige Klassenzimmer unterstützen, um dadurch Chancengleichheit von Kindern mit Migrationshintergrund zu fördern ( Council of Europe 2023 Council of Europe. Young migrants Supporting multilingual classrooms, 2023. European Centre for Modern Languages of the Council of Europe. Zugang am 12. Mai 2023. Verfügbar unter: https://www.ecml.at/TrainingConsultancy/Multilingualclassrooms/tabid/1816/language/enGB/Default.aspx .
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).

Insgesamt lässt sich also festhalten, dass der Europarat als internationale, über die Grenzen der Europäischen Union hinausgehende Organisation zu verstehen ist, der aber über keinerlei Macht verfügt. Er diente in vielerlei Hinsicht als Vorläufer für Entwicklungen in der EU. Im Gegensatz zum Europarat wertet „die EU ihrerseits Sprachen jedoch als Ausdruck nationaler Identitäten” ( Meißner 2000Meissner, Franz-Joseph. Aufgabenfelder der Didaktik der romanischen Sprachen – Zwischen Französischunterricht und sprachenteiliger Gesellschaft. Fremdsprachen Lehren und Lernen (FLuL), v. 29, 37-53, 2000.: 41). Auch Mehrsprachigkeit wird erst durch schulische Fremdsprachenförderung erworben, bezieht sich zumeist auf jene Sprachen, die eng an diese nationalen Identitäten gebunden sind, priorisiert das Erlernen von Englisch und schließt gleichzeitig eine hohe Anzahl von Herkunftssprachen der Schüler:innen aus ( Quetz & Vogt 2021Quetz, Jürgen; Vogt, Karin. Einleitung zum Sammelband. In: Quetz, J.; Vogt, K. (hrsg.). Der neue Begleitband zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Berlin: Peter Lang, 2021, 7-34. ). Dahingegen fördert der Europarat heutzutage Innovationen im Sprachunterricht, u.a. durch die Förderung mehrsprachiger Lernräume für Migrant:innen und mit der Initiative RELANG (Verknüpfung der Lehrpläne, Prüfungen und Bewertungen im Sprachunterricht mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GeR)), die langfristig Bildungsbehörden dabei unterstützen soll, ihre verwendeten Sprachprüfungen den Prinzipien des GeR und des Begleitbandes (GeRB) anzupassen. Dies gilt u.a. für Prüfungsgrundlagen für Mediation und plurikulturelle/mehrsprachige Fähigkeiten im Unterricht ( Council of Europe & European Center for Modern Languages 2023 Council of Europe & European Centre for Modern Languages. Relating language curricula, tests and examinations to the Common European Framework of Reference (RELANG), 2023. RELANG - Relating language curricula, tests and examinations to the CEFR. Zugang am 4. Juli 2023. Verfügbar unter: https://relang.ecml.at/Home/tabid/4079/language/en-GB/Default.aspx .
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), worauf in Abschnitt 2 näher eingegangen wird.

Im Folgenden werden zunächst die Ziele des GeR sowie verbreitete Missverständnisse seiner Rezeption erläutert.

2.2 Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen: Ziele und Missverständnisse

Wir stellen nur Fragen, wir geben keine Antworten. Es ist nicht die Aufgabe des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens festzulegen, welche Ziele die Benutzer anstreben oder welche Methoden sie dabei einsetzen sollen.

( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 8)

Mit dieser Kernaussage über die Zielsetzung, die sowohl im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) als auch in seinem Begleitband ( 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020. ) vermerkt ist, wird betont, dass der GeR lediglich als Werkzeug und nicht als Mittel zur Standardisierung zu verstehen ist. Der GeR ist demnach kein verbindlicher Rechtsrahmen, sondern dient als Leitfaden, um Spracherwerb, Sprachanwendung und Sprachkompetenz transparent und vergleichbar zu machen. Dass die Aussage im Begleitband 17 Jahre später wortwörtlich übernommen wurde, weist deutlich daraufhin, wie dogmatisch der GeR häufig aufgefasst wurde, was nicht zuletzt auf den enorm weitreichenden Einsatz der Kompetenzniveaus zurückzuführen ist. Dabei dienen die sechs Kompetenzniveaus sowie die Beurteilung von Fortschritten in den Lernerfolgen (Kann-Beschreibungen) beim Sprachenlernen und die Untersuchung der Sprachkompetenzen Lesen, Hören, Schreiben und Sprechen lediglich als Grundlage für curriculare Richtlinien, Lehrwerke und Qualifikationsnachweise in der Spracharbeit ( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ). Die von Erfolg gekrönten Kompetenzniveaus wurden innerhalb der europäischen Länder schon bald missbraucht, indem sie bei den sprachlichen Anforderungen an Zuwander:innen eine „ gatekeeper -Funktion” ( Quetz & Vogt 2021Quetz, Jürgen; Vogt, Karin. Einleitung zum Sammelband. In: Quetz, J.; Vogt, K. (hrsg.). Der neue Begleitband zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Berlin: Peter Lang, 2021, 7-34.: 24) übernahmen. Innerhalb von Deutschland bedeutete dies, dass die Niveaustufe B1 basierend auf dem GeR als Mindestqualifikation zum Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft galt (ebd.). „Der GeR trug im Bereich Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache das Stigma des Türstehers” (ebd.).

Eine ähnlich weitreichende Verwendung wie die Kompetenzniveaus kann den positiv-formulierten Kann-Beschreibungen nachgewiesen werden ( Europäisches Parlament, Generaldirektion Interne Politikbereiche 2013 Europäisches Parlament & Generaldirektion Interne Politikbereiche. Die Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen in den europäischen Bildungssystemen, 2013. Europarl. Europa. Zugang am 4. Juli 2022. Verfügbar unter: https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/etudes/join/2013/495871/IPOLCULT_ET%282013%29495871_DE.pdf .
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), welche die historisch weitverbreiteten Kann-nicht-Beschreibungen in der Pädagogik ablösten. Ein allgemeiner Irrtum in der Unterrichtspraxis dabei ist jedoch, dass der GeR über eine einzige Globalskala mit Kann-Beschreibungen verfügt. Tatsächlich beinhaltet der GeR 54 Skalen, von denen sich nur vier mit linguistischer Korrektheit (Grammatik, Orthographie, Lexik und Phonetik) beschäftigen. Die verbleibenden 50 Skalen beziehen sich auf eine kommunikative Kompetenz, wie bspw. anhand der folgenden Skala zur soziolinguistischen Angemessenheit ersichtlich ist:

B2 […] Kann Beziehungen zu Muttersprachlern 9 9 Auf die Problematik des Begriffs Muttersprachler wird in Kapitel 3 näher eingegangen. aufrechterhalten, ohne sie unfreiwillig zu belustigen, zu irritieren oder sie zu veranlassen, sich anders zu verhalten als bei Muttersprachlern. Kann sich situationsangemessen ausdrücken und krasse Formulierungsfehler vermeiden.

A1 Kann einen elementaren sozialen Kontakt herstellen, indem er/sie die einfachsten, alltäglichen Höflichkeitsformeln zur Begrüßung und Verabschiedung benutzt, bitte und danke sagt, sich vorstellt oder entschuldigt usw.

( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 122)

Diese Auszüge verdeutlichen, dass der Fokus des GeR auf Beziehungsgestaltung liegt, die wiederum durch kulturelle Aspekte und Verhaltensweisen geprägt ist. Auch die folgenden Auszüge der Skala zur Konversation zeigen, dass der GeR auf Metasprache bzw. Metapragmatik fokussiert ist:

B2 Kann verschieden starke Gefühle zum Ausdruck bringen und die persönliche Bedeutung von Ereignissen und Erfahrungen hervorheben.

B1 […] Kann Gefühle wie Überraschung, Freude, Trauer, Interesse und Gleichgültigkeit ausdrücken und auf entsprechende Gefühlsäußerungen reagieren.

( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 80)

Es kann also festgehalten werden, dass der GeR statt einer bloßen Niveaustufen- bzw. Kompetenzbeschreibung sprachlicher Korrektheit, eigentlich eine Beschreibung interkultureller, kommunikativer Kompetenz ist. Dies wurde von der Fachwelt häufig missachtet [( Camerer 2019 Camerer, Rudi. Im Gespräch: Wie verändert der erweiterte GeR den Fremdsprachenunterricht?, 2019. Klett Tipps 68: Zukunft im Blick. Zugang am 2. Juli 2023. Verfügbar unter: https://www.klettsprachen.de/downloads/23411/Interview_3A_5FWie_5Fver_E4ndert_5Fder_5Ferweiterte_5FGeR_5den_5FFremdsprachenunterricht_3F/pdf .
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)] bzw. wenig erfolgreich umgesetzt, obwohl interkulturelle Kompetenz im GeR explizit erläutert wird: „In einem interkulturellen Ansatz ist es ein zentrales Ziel fremdsprachlicher Bildung, eine günstige Entwicklung der gesamten Persönlichkeit des Lernenden und seines Identitätsgefühls als Reaktion auf die bereichernde Erfahrung des Andersseins anderer Sprachen und Kulturen zu fördern” ( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 14).

Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GeR) betont diese Bedeutung interkultureller Fähigkeiten durch die Einbeziehung eines Konzepts von Mehrsprachigkeit, das als eine seiner zentralen Komponenten angesehen werden kann:

’Mehrsprachigkeit' unterscheidet sich von 'Vielsprachigkeit', also der Kenntnis einer Anzahl von Sprachen, oder der Koexistenz verschiedener Sprachen in einer bestimmten Gesellschaft. Vielsprachigkeit kann man erreichen, indem man einfach das Sprachenangebot in einer Schule oder in einem Bildungssystem vielfältig gestaltet […] oder indem man die dominante Stellung des Englischen in internationaler Kommunikation beschränkt. Mehrsprachigkeit jedoch betont die Tatsache, dass sich die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert, von der Sprache im Elternhaus über die Sprache der ganzen Gesellschaft bis zu den Sprachen anderer Völker […]. Diese Sprachen und Kulturen werden aber nicht in strikt voneinander getrennten mentalen Bereichen gespeichert, sondern bilden vielmehr gemeinsam eine kommunikative Kompetenz, zu der alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen beitragen und in der die Sprachen miteinander in Beziehung stehen und interagieren.

( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 17)

Die Unterscheidung von Vielsprachigkeit und Mehrsprachigkeit war dahingehend von Bedeutung, dass ein sprachenpolitisches Dokument erstmalig die Lebenswirklichkeit von sogenannten Gastarbeiter:innen 10 10 Es sei daraufhin gewiesen, dass der Begriff Gastarbeiter:innen hier in seinem historischen Kontext verwendet wird. Der Terminus war und ist problematisch, da er impliziert, dass die Arbeitskräfte nur für eine bestimmte Zeit geduldet und nicht als Mitbürger:innen angesehen werden. einbezog, die zumeist ohne Sprachkenntnisse des Ziellandes umzogen. Diese Bewegung erfolgte bereits lange vor dem Schengen-Abkommen, welches ein weiterer wichtiger Aspekt für das Konzept der Mehrsprachigkeit war ( Quetz & Vogt 2021Quetz, Jürgen; Vogt, Karin. Einleitung zum Sammelband. In: Quetz, J.; Vogt, K. (hrsg.). Der neue Begleitband zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Berlin: Peter Lang, 2021, 7-34. ).

Trotz dieser beinahe revolutionären Differenzierung fand das Konzept in der Praxis weniger Beachtung als die Kompetenzbeschreibungen der sechs Referenzniveaus des GeR. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass Mehrsprachigkeit zwar als generelles Konzept beschrieben, jedoch nicht in den Skalen und Deskriptoren des GeR konkret erfasst wurde. Diesen Standpunkt vertreten auch Bärenfänger et al. ( 2018 Bärenfänger, Olaf, Harsch, Claudia; Tesch, Bernd; Vogt, Karin. Reform, Remake, Retusche? Diskussionspapier der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung zum Companion to the CEFR, 2018. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Zugang am 20. Mai 2022. Verfügbar unter: https://www.dgff.de/assets/Uploads/DGFF-Stellungnahme-zum-Companion-to-the-CEFR2018.pdf
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) und merken an, dass der Verwendung der Begrifflichkeiten Mehrsprachigkeit, Interkulturalität und Plurikulturalität kein einheitliches Konzept zugrunde liegt, sondern diese eher als reine Begriffseinführung bzw. -erklärung angesehen werden können. Vielmehr noch kritisieren sie, dass „die Grundkonzeption der sprachlichen Kompetenzen monolingual [ist], ein mehrere Sprachen und Kulturen umfassendes Konzept wird nicht deutlich” ( Bärenfänger et al. 2018 Bärenfänger, Olaf, Harsch, Claudia; Tesch, Bernd; Vogt, Karin. Reform, Remake, Retusche? Diskussionspapier der Deutschen Gesellschaft für Fremdsprachenforschung zum Companion to the CEFR, 2018. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Zugang am 20. Mai 2022. Verfügbar unter: https://www.dgff.de/assets/Uploads/DGFF-Stellungnahme-zum-Companion-to-the-CEFR2018.pdf
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: 4). Die Ansicht, dass der GeR de facto einem monolingualen eurozentristischen 11 11 Der Begriff Eurozentrismus bezeichnet eine Weltsicht, die implizit oder explizit die europäische Geschichte und die europäischen Werte als die Norm und anderen überlegen darstellt und damit dazu beiträgt, die dominante Stellung Europas innerhalb des globalen kapitalistischen Weltsystems zu begründen und zu rechtfertigen. Ansatz zugrunde liege, wird zum Teil auch international vertreten. Ebenso ist von einem Werkzeug für Sprachimperialismus die Rede, da der GeR sich an nationalen Sprachvarietäten orientiert (ebd). Anstelle einer eurozentrischen sollte jedoch die Eingrenzung zu westeurozentrischer Perspektive erfolgen, wie sie bei Nunes & Lorke ( 2011Nunes, Elaine; Lorke, Franziska. O problema da adequação dos parâmetros do quadro europeu comum de referência e „a necessidade de emergir como os outros de nós mesmos”. Revista X, v. 2, 40-60, 2011. ) zu finden ist und die von einem Paradoxon sprechen, da der GeR versucht eine allgemeine Sprachenpolitik zu schaffen, die als Grundlage für alle dienen soll, sich jedoch an westeuropäischen Standards orientiere (ebd.).

Trotz der internationalen Kritik am GeR wird er, entgegen häufiger Annahme, in vielen Ländern außerhalb Europas als Referenz für die Beschreibung und Bewertung von Sprachkenntnissen sowie zur curricularen Entwicklung verwendet, worauf in Kapitel 4 näher eingegangen wird.

3 Neuerungen im Begleitband des GeR

Der Begleitband des GeR (GeRB) wurde 2018 erstmalig in englischer Sprache ( Companion Volume ) veröffentlicht und erschien 2020 in deutscher Übersetzung. Er dient als Aktualisierung des GeR von 2001, ersetzt seinen konzeptionellen Rahmen jedoch nicht ( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020. ). Generell kann festgestellt werden, dass der Begleitband gezielt auf jene Themen fokussiert, die kommunikative Kompetenz ausmachen und welche die rein funktionale Verwendung von Sprache übersteigen. Sein übergeordnetes Ziel dabei ist, einige Schlüsselkonzepte des GeR, namentlich jene der mehrsprachigen und interkulturellen Bildung ausführlicher zu erläutern und um Deskriptorenskalen zu erweitern.

Bereits im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) wurde Text als soziale Handlung aufgeführt. Das bedeutet, dass Sprache nicht als ein bloßes isoliertes linguistisches System angesehen wird, das Lernende auswendig lernen, sondern vielmehr als soziale Interaktion, die sich in unterschiedlichen kommunikativen Situationen und Kontexten entfaltet. Dabei wurden im GeR vier Domänen (persönlich, sozial, beruflich und akademisch) unterschieden und in Verbindung mit den vier Makrofunktionen (Sprechen, Schreiben, Lesen und Hören) gebracht. In diesem theoretischen Fundament des GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) liegt einer der grundliegenden Unterschiede zum Begleitband.

Die Domänen sind im GeRB identisch, jedoch wurden die ursprünglichen Makrofunktionen durch Rezeption, Produktion, Interaktion und Mediation ersetzt, die in Beziehung zueinanderstehen, wie die folgende Abbildung verdeutlicht:

Abbildung 1:
Beziehung zwischen Rezeption, Produktion, Interaktion und Mediation

Quelle: Europarat ( 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 40)

Der Unterschied der neuen Makrofunktionen besteht vor allem darin, dass sie sich nicht mehr auf Sprachlernende als Individuum konzentrieren, sondern auf die Sprachhandlung, die zwischen mehreren Sprachverwendenden stattfindet. Demnach wird der Text als soziale Handlung in seinem Gesamtkontext (situativ, sozial, kulturell, ökonomisch, politisch, beruflich, institutionell usw.) betrachtet. Als Beispiel soll die nachfolgende Skala zu Transkationen/Dienstleistungsgespräche (A2) dienen.

A2 Kann um alltägliche Waren und Dienstleistungen bitten und solche anbieten. Kann sich einfache Reiseinformationen beschaffen und öffentliche Verkehrsmittel wie Bus, Zug, Taxi benutzen; kann nach dem Weg fragen und den Weg erklären sowie Fahrkarten kaufen. Kann in Geschäften, Postämtern, Banken nach etwas fragen und einfache Erledigungen machen. Kann Informationen über Mengen, Anzahl, Preise usw. geben und verstehen. Kann einfache Einkäufe machen, sagen, was er/sie sucht, und nach dem Preis fragen. Kann eine Mahlzeit bestellen.

( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 84)

Kann sagen, dass etwas nicht stimmt (z.B. “Das Essen ist kalt” oder “In meinem Zimmer gibt es kein Licht.”). Kann im persönlichen Kontakt um einen Arzttermin bitten und die Antwort verstehen. Kann gegenüber medizinischem Fachpersonal die Art eines Problems angeben und dabei gegebenenfalls auch Gesten und Körpersprache benutzen. (Erweiterung im Begleitband)

( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 97)

Diese Skala war bereits Bestandteil des GeR 2001 und wurde im GeRB 2018 erweitert. Sprachverwendende auf A2 können demnach einfache Besorgungen machen, z.B. im Supermarkt. Geht man dabei von einem gängigen Lebensmittelgeschäft in Westeuropa aus, ähnelt sich wahrscheinlich die sprachliche Handlung. Führen Sprachverwendende jedoch bspw. ein transaktionales Gespräch auf einem marokkanischen Souk, benötigen sie allenfalls andere kommunikative Kompetenzen oder auch eine andere Körpersprache. Folglich betont der Begleitband den Gesamtkontext einer sprachlichen Handlung, wobei dieser Kontext zugleich auf kulturellen Konzepten beruht.

Ebenfalls von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die bereits erwähnten zwischenmenschlichen Beziehungen, denen der Begleitband besondere Aufmerksamkeit widmet. Somit können sich Sprachverwendende einer Sprache trotz linguistischer Korrektheit missverstehen. Zur Veranschaulichung, was mit solch einem Gesamtkontext gemeint ist, soll folgendes Beispiel dienen: Eine Geschäftsfrau, die ursprünglich aus den USA stammt und in Japan einen Vortrag hält, erhält im Anschluss an dieses, ein Kompliment für ihre ausgezeichneten Japanischkenntnisse. Daraufhin bedankt sich die Frau, was von ihrem Gegenüber als prahlerisch und eingebildet wahrgenommen wird. Aus U.S.-amerikanischer oder auch westeuropäischer Sichtweise ist das Bedanken für ein Kompliment eine angemessene Reaktion. In Japan hingegen wäre eine bescheidenere Reaktion, die das Kompliment im gewissen Maß negiert angebracht, was in den USA wiederum als Zeichen geringer Selbstachtung gesehen wird. Das heißt, obwohl die linguistische Sprachverwendung in diesem Kontext relativ simpel ist, sind die kulturellen Konzepte dahinter jedoch inkompatibel.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass mit der Veröffentlichung des Begleitbandes versucht wurde, von einem (west-)eurozentrischen Blickwinkel abzurücken, indem sprachliche Handlungen differenzierter als eine Verhandlung von Identität, Rolle und Beziehung, behandelt werden. Dieser kommunikationstheoretische Fortschritt wird im GeRB als Gemeinsame Konstruktion von Bedeutung (co-construction of meaning) 12 12 Der Begriff co-construction of meaning (gemeinsame Konstruktion von Bedeutung) liegt dem Kommunikationsmodell von Paul Watzlawick ( 1969 ) zugrunde, welches bis dato in der Fremdsprachendidaktik wenig Anklang gefunden hat. Dabei wird die Bedeutung des sozialen und interaktiven Charakters von Sprache betont, dass Bedeutung und Verständnis in der Kommunikation zwischen Sprachverwendenden gemeinsam entwickelt werden. Bedeutung wird in einem wechselseitigen Prozess der Verständigung und Interpretation entwickelt, bei dem beide Seiten in der Kommunikation aktiv beteiligt sind. Der GeRB weist darauf hin, dass Sprachlernende ihre Fähigkeiten zur co-construction of meaning entwickeln sollten, um effektive Kommunikation zu ermöglichen. Dies beinhaltet die Fähigkeit, auf Informationen und Äußerungen anderer angemessen zu reagieren, Fragen zu stellen, um Unklarheiten zu klären, Feedback zu geben und auf nonverbale Signale und Kontexte zu achten, um die Bedeutung zu verstehen. bezeichnet und hat viele Neuerungen zur Folge, die nachstehend zunächst kurz umrissen und darauffolgend selektiv näher erläutert werden.

Mit der Veröffentlichung des GeRB wurden ergänzende Deskriptoren für das Niveau vor A1 eingeführt sowie Deskriptoren für Online-Kommunikation entwickelt. Generell wurden die Deskriptorenskalen von 54 auf 80 erweitert. Außerdem wurde ein umfangreiches Kapitel zur Gebärdensprache hinzugefügt.

Auf die Verwendung des Begriffs Muttersprachler 13 13 Das generische Maskulinum wurde im GeR ( 2001 ) standardgemäß verwendet. Im Begleitband ( 2020 ) wird hingegen gendergerechte Sprache gebraucht. wird künftig verzichtet, da davon ausgegangen wird, dass der/die Muttersprachler:in als Rollenvorbild per se nicht existiert und es nicht das Ziel von Sprachunterricht sein sollte, einem solchen Scheinvorbild nachzueifern, „sondern Menschen in die Lage zu versetzen, über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg vertrauensvolle Beziehungen zueinander aufzubauen” ( Camerer 2019 Camerer, Rudi. Im Gespräch: Wie verändert der erweiterte GeR den Fremdsprachenunterricht?, 2019. Klett Tipps 68: Zukunft im Blick. Zugang am 2. Juli 2023. Verfügbar unter: https://www.klettsprachen.de/downloads/23411/Interview_3A_5FWie_5Fver_E4ndert_5Fder_5Ferweiterte_5FGeR_5den_5FFremdsprachenunterricht_3F/pdf .
https://www.klettsprachen.de/downloads/2...
: 3). Die Idee des/der Muttersprachler:in war bis dato eng verknüpft mit einem Gesamtkontext, der sich nur auf jene Länder bezog, in denen die Zielsprache auch Amtssprache ist. Vielmehr noch, bezog er sich auf einen kulturellen Kontext, der vorrangig Europa repräsentierte. In diesem Zusammenhang merkt Camerer (ebd.) an, dass bspw. in englischen Sprachkursen britisch-amerikanische Diskursstrategien dominieren und als Standard gelehrt werden, obwohl heutzutage die Anzahl englischsprechender, chinesischer Bürger:innen größer ist als die englischer Muttersprachler:innen.

Diese Auffassung spiegelt sich auch in der Deskriptorenskala des GeRB für die Beherrschung der Aussprache wider, aus welcher der Begriff Muttersprachler ebenfalls exkludiert wurde. Die Kernbereiche phonologischer Kontrolle begrenzen sich dabei auf Artikulation, Prosodie, Verständlichkeit und Akzentuierung. Letzteres meint einen „Akzent in der Aussprache und Abweichung von einer ‚Norm’” (Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 158). Der Begriff „Norm” wird dabei in Anführungszeichen verwendet und bezieht sich auf Diskursgemeinschaften (discourse communities) , d.h. Sprechende von bspw. dem Hunsrückischen in Brasilien müssen sich möglicherweise in Deutschland oder in Österreich sprachlich anpassen (und vice versa), sprechen aber dennoch Deutsch. Demnach ist „Norm” als Diskursgemeinschaft und nicht als fiktive:r Muttersprachler:in einer einzigen Variante und Nation zu verstehen. Auch aus dieser Neuerung lässt sich eine Verschiebung der eurozentrischen Perspektive erkennen.

Weiterhin verfolgt der Begleitband den Ansatz eines effektiven Sprachgebrauchs. Dieser ist ebenfalls auf die bereits erläuterte Schaffung eines Gesamtkontexts ausgerichtet und umfasst drei Kriterien: schriftliche und mündliche Verständlichkeit (nicht identisch mit Standardsprache); Angemessenheit (Register und Sprache sind kontextkonform) und Höflichkeit (als Strategie der Beziehungsgestaltung).

Als zusammenfassendes Ziel des Sprachunterrichts formuliert der Begleitband sowie auch schon der GeR folgendes:

Das Ziel des Sprachunterrichts ist nicht mehr in der Beherrschung einer, zweier oder vielleicht dreier Sprachen [zu] sehen, wobei jede isoliert gelernt und dabei der ‚ideale Muttersprachler’ als höchstes Vorbild betrachtet wird. Vielmehr liegt das Ziel darin, ein sprachliches Repertoire zu entwickeln, in dem alle sprachlichen Fähigkeiten ihren Platz haben

(Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 157).

Es geht also um die Herausbildung einer plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz, auf die im Besonderen im nächsten Punkt eingegangen wird.

3.1 Von Mehrsprachigkeit zu Plurilingualität

Die fundamentalen Konzepte von Interkulturalität/Plurikulturalität und Mehrsprachigkeit/Plurilingualität sind schon im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) vorhanden. Im Begleitband ( 2020 Suckfüll, Ariane. GeR-Begleitband – Schlagworte konkret, 2020. Blog Hueber-Sprachen. Zugang am 2. Juni 2023. Verfügbar in: https://blog.hueber-sprachen.de/ger-begleitband-schlagworte-konkret/ .
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) werden sie jedoch deutlicher und detaillierter dargestellt. Wie bereits eingangs erläutert, grenzt sich der GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) von dem Begriff der Vielsprachigkeit ab, um sich dem Konzept der Mehrsprachigkeit zuzuwenden. Im Begleitband wird der Begriff der Mehrsprachigkeit durch Plurilingualität erweitert bzw. ersetzt und vor allem auf die individuelle Mehrsprachigkeit fokussiert. Es ist naheliegend, dass eine Person, die plurilingual ist, gleichzeitig auch plurikulturell ist. 14 14 Eine plurilinguale bzw. plurikulturelle Person ist bspw. jemand, die im deutschsprachigen Raum aufgewachsen ist und Deutsch seit der Kindheit spricht. Gleichzeitig kommuniziert sie mit einem Elternteil auf Darija, d.h. marokkanischem Arabisch und mit dem anderen Elternteil auf Tamazight, d.h. Berbersprache, während sie innerhalb der Großfamilie auch häufig ins Französische wechseln. Während ihrer Kindheit im deutschsprachigen Raum hat diese Person außerdem Englisch in der Schule gelernt sowie ihre Deutschkenntnisse weiter vertieft. Später im Studium hat sie zusätzlich Spanisch gelernt (Adaptiert aus Suckfüll , Hueber Verlag 2020 ). Der Terminus Plurilingualität umfasst „ein Konzept der Verfügbarkeit über mehr als eine Sprache, in dem mehrere Sprachen zu einem flexiblen und integrierten Einsatz kommen sollen, integriert auch mit einem weit gefassten kulturellen Wissen und Verständnis” ( Burwitz-Melzer 2018 Burwitz-Melzer, Eva. Konzepte und Skalen zu Plurikulturalität und Plurilingualität im Companion Volume, 2018. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Zugang am 21. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.dgff.de/assets/Uploads/ZFF-2-2019-03- BurwitzMelzer.pdf
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2019). Dieses Konzept wird im GeRB wie folgt artikuliert:

Die miteinander verbundenen Konzepte von Plurilingualität / Plurikulturalität und ihre Teilkompetenzen […] wurden als dynamischer, kreativer Prozess des languaging über die Grenzen sprachlicher Varietäten hinweg entwickelt als eine Methodologie und als sprachenpolitische Ziele. […] Durch einen […] Zufall [… wurde gleichzeitig] der Terminus trans-languaging 15 15 Der Begriff translanguaging wurde erstmals von Cen Williams (1994) verwendet, um pädagogische Strategien in zweisprachigen Klassenzimmern zu beschreiben, die den Gebrauch der beiden Sprachen im Unterricht nicht strikt voneinander trennen. Die Verbreitung des Begriffs und des damit zusammenhängenden Konzepts gewannen jedoch erst Jahrzehnte später an Bedeutung, was vor allem auf die Forschungsarbeiten von Ofelia García zurückzuführen ist. Im Gegensatz zu languaging , das sich auf allgemeine Sprachpraktiken konzentriert, beschreibt translanguaging laut García & Wei ( 2014 ) die Verwendung des gesamten kommunikativen (sprachlichen und außersprachlichen) Inventars eines/r Sprachverwendenden innerhalb einer Kommunikation. Im Fokus steht demnach nicht die Systematik des Wechsels zwischen den Sprachen ( Code-Switching , Pragmatik), sondern wie die Identität der Sprachverwendenden mithilfe sprachlicher Vielfalt geprägt wird. Translanguaging kann demnach als eines der wichtigsten pädagogischen Werkzeuge angesehen werden, um soziale Gerechtigkeit zu garantieren, inner- und außerhalb des Unterrichts ( García & Leiva 2014 ). dokumentiert […]. Trans-languaging wird von plurilingualen Personen benutzt, wobei mehr als eine Sprache involviert sein kann. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl ähnlicher Ausdrücke, die aber alle im Terminus Plurilingualität inbegriffen sind.

( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 35).

Laut des GeRB (ebd.) umfasst die plurilinguale Kompetenz also die Fähigkeit, dieses sprachliche und kulturelle Repertoire flexibel, zielgerichtet und strategisch einzusetzen und von einer Sprache, einem Dialekt oder einer Varietät zu einer/einem anderen zu wechseln. Ziel dabei ist die bereits erwähnt Effektivität des Sprachgebrauchs, d.h. nicht nur der effiziente Wechsel zwischen mehreren Sprachen innerhalb einer Konversation, sondern auch die Fähigkeit, sich auf Gesprächspartner:innen einzustellen sowie Inhalte zwischen mehreren Sprachen zu vermitteln (auf die Makrofunktion Mediation wird näher in Kapitel 3.2 eingegangen).

Bereits im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) basiert das Konzept der Plurikulturalität auf dem von Bryam ( 1997Byram, Michael. Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters, 1997. ) entwickelten Konzept der Intercultural Communicative Competence (ICC) . Allerdings wurden nicht alle Einzelkomponenten dieses Modells im GeR übernommen. Demnach ist es das Ziel des Sprachunterrichts neben linguistischen Kompetenzen auch soziolinguistische, diskursive und interkulturelle Kompetenzen zu fördern (Byram 1997Byram, Michael. Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters, 1997. ). Das Konzept der ICC basiert auf fünf Lernbereichen, die gleichzeitig die Grundpfeiler der ICC bilden und im Unterricht Teil der Lernziele sein sollten: „attitudes" (savoir être) , „knowledge" (savoirs) , „skills to interpret and relate" (savoir comprendre) , „skills to discover and interpret" (savoir apprendre/savoir faire) sowie „political education/critical cultural awareness" (savoir s'engager) ( Byram 1997Byram, Michael. Teaching and Assessing Intercultural Communicative Competence. Clevedon: Multilingual Matters, 1997.: 34ff.). Im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) werden die allgemeinen Kompetenzen der Sprachverwendenden in vier Teilkompetenzbereiche savoir, savoir-faire, savoir-être und savoir-apprendre angeführt ( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 22ff.) , die politische, durchaus wichtige Kategorie savoir-s'engager wurde dabei nicht adaptiert. Ebenso fehlen im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) Skalen zur inter- bzw. plurikulturellen Kompetenz sowie zur plurilingualen Kompetenz.

Im GeRB werden die Kernaspekte durch die plurilinguale und plurikulturelle 16 16 Eine begriffliche bzw. konzeptuelle Unterscheidung zwischen plurikultureller und interkultureller kompetenz wird durch den GeRB nicht deutlich gemacht. Kompetenz erweitert und insgesamt sechs Deskriptorenskalen hinzugefügt. Einerseits ist ein eigenes Kapitel darüber vorhanden, das drei Skalen zur plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz beinhaltet und in dem die Verknüpfung zur kommunikativen und handlungsorientierten Kompetenz hergestellt wird. Diese drei Skalen umfassen: „auf einem plurikulturellen Repertoire aufbauen”; „plurilinguales Verstehen” und „auf einem plurilingualen Repertoire aufbauen” ( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 144).

Andererseits wurden dem Kapitel zur Mediation und dem Unterkapitel „Mediation von Kommunikation” drei weitere Skalen hinzugefügt: „plurikulturellen Raum fördern”; „als Mittler agieren in informellen Situationen (unter Freunden und Kollegen/Kolleginnen)” und die „Kommunikation in heiklen Situationen und bei Meinungsverschiedenheiten erleichtern” ( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 135ff.).

Zwei bildungspolitische Dokumente haben dabei Einfluss auf die Entwicklung und insbesondere auf die neuen Deskriptorenskalen zur Plurilingualität und Plurikulturalität des Begleitbandes genommen: der Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA; European Center for Modern Languages/Council of Europe 2012 European Center for Modern Languages & Council of Europe. CARAP – FREPA – A Framework of Reference for Pluralistic Approaches, 2012. European Centre for Modern Languages. Zugang am 12. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.ecml.at/Portals/1/documents/ECML-resources/CARAPEN.pdf?ver=2018-03-20-120658-443 .
https://www.ecml.at/Portals/1/documents/...
) und der Guide for the Development and Implementation of Curricula for Plurilingual and Pluricultural Education (im Folgenden: GDI; Council of Europe 2016 Council of Europe. Guide for the Development and Implementation of Curricula for Plurilingual and Pluricultural Education, 2016. Council of Europe. Zugang am Juni 2023. Verfügbar unter: https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?documentId=0900016806ae621 .
https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSear...
), auf die in diesem Kontext nicht genauer eingegangen wird. Es sei jedoch angemerkt, dass durch die Einbindung des GDI versucht wurde, die Lebenswirklichkeit von Migrant:innen in die interkulturellen Konzepte zu inkludieren ( Burwitz-Melzer 2018 Burwitz-Melzer, Eva. Konzepte und Skalen zu Plurikulturalität und Plurilingualität im Companion Volume, 2018. Deutsche Gesellschaft für Fremdsprachenforschung (DGFF). Zugang am 21. Juni 2023. Verfügbar unter: https://www.dgff.de/assets/Uploads/ZFF-2-2019-03- BurwitzMelzer.pdf
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2019), was wiederum als eine Erweiterung des europäischen Blickwinkels angesehen werden kann.

Eine bedeutende Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Konzept der Mediation, das sich im Gegensatz zum GeR nicht mehr ausschließlich auf Sprachmittlung, d.h. das Mitteln von Texten in und aus der Zielsprache bezieht, sondern zu einem holistischen pädagogischen Konzept erweitert. Daher kann Mediation als die wichtigste Neuerung im GeRB sowie als Werkzeug zur Förderung von Plurilingualität und -kulturalität angesehen werden, worauf im folgenden Kapitel näher eingegangen wird.

3.2 Von Sprachmittlung zu Mediation

Bereits in der englischen Fassung des GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) fand sich der Terminus mediation , der in der deutschen Veröffentlichung mit Sprachmittlung übersetzt wurde. Das deutsche Kognat Mediation wurde in der Vergangenheit, um Missverständnisse zu vermeiden (u.a. Königs 2008Königs, Frank. Vom Kopf auf die Füße stellen? Vom Sinn und Unsinn des Sprachmittelns im Fremdsprachenunterricht. In K. Myczko, B. Skowronek, & W. Zabrocki, Perspektywy glottodydaktyki i jezykoznawstwa. Tom jubileuszowy z okazji 70. urodzin Profesora Waldemara Pfeiffera. Poznan: Wydawnictwo Naukowe UAM, 2008, 297-312. und 2015Königs, Frank. Sprachen lernen - Sprachen mitteln: Warum das eine nicht ohne das andere geht. In: M. Nied Curcio, P. Katelhöhn, & I. Bašič, Sprachmittlung - Mediation - Mediazione linguistica. Ein deutsch-italienischer Dialog. Berlin: Frank & Timme, 2015, 29-41. ) weitgehend abgelehnt, da der Begriff im Deutschen u.a. in der Rechtswissenschaft als Ausdruck für Konfliktmanagement oder Streitschlichtung verwendet wird (u.a. Lütkehaus & Pach 2019Lütkehaus, Isabell; Pach, Izabella. Basiswissen Mediation: Handbuch für Praxis und Ausbildung. Frankfurt am Main: Wolfgang Metzner Verlag, 2019. ). Sprachmittlung wird vereinfacht als Oberbegriff für jede Art der Übertragung eines Textes aus einer Ausgangssprache in eine Zielsprache verwendet. Dabei kommt der freieren, sinngemäßen Übertragung, bei konsequenter Beachtung von Situation und Adressat:innenbezug, zunehmend eine besondere Bedeutung zu. Demnach wird Sprachmittlung von Übersetzen vor allem dadurch unterschieden, dass es weniger um Äquivalenz, sondern mehr um Angemessenheit geht und dabei besonders der Situations- und Adressat:innenbezug von Bedeutung ist. Dieses Verständnis von Sprachmittlung liegt dabei der in der Translationswissenschaft geprägten Skopostheorie ( Reiẞ & Vermeer 1984Reiss, Katharina; Vermeer, Hans J. Grundlegung einer allgemeinen Translationstheorie, 1984. Tübingen: Niemeyer. ) zugrunde, die als übergeordnetes Ziel den Zweck und nicht den Ausgangstext vorsieht. Deshalb scheint es fraglich, ob Sprachmittlung tatsächlich vollständig von Übersetzen zu unterscheiden ist (FISCHER 2012 Fischer, Jenny. Übersetzen als Sprachmittlung im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht. Sprachmittlung als fünfte Fertigkeit und/oder Übungsform? Über das didaktische Potenzial von Sprachmittlungsaufgaben mit Beispielen für den brasilianischen DaF- Unterricht, 2012. Zugang am 25. Januar 2024. Verfügbar unter: https://acervodigital.ufpr.br/handle/1884/36198 .
https://acervodigital.ufpr.br/handle/188...
). Im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) wurde Sprachmittlung den Aktivitäten zugeordnet und ist wie folgt definiert:

Bei sprachmittelnden Aktivitäten geht es den Sprachverwendenden nicht darum, seine/ihre eigenen Absichten zum Ausdruck zu bringen, sondern darum, Mittler zwischen Gesprächspartnern zu sein, die einander nicht direkt verstehen können, weil sie Sprecher verschiedener Sprachen sind (was der häufigste, aber nicht der einzige Fall ist). Zu den sprachmittelnden Aktivitäten gehören Dolmetschen und Übersetzen sowie das Zusammenfassen und Paraphrasieren von Texten in derselben Sprache, wenn derjenige, für den der Text gedacht ist, den Originaltext nicht versteht

( Europarat 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001.: 89-90; Formatierung im Original).

Wie bereits in Kapitel 3 erläutert, werden im GeRB ( 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020. ) vier Makrofunktionen angeführt, wobei Mediation die vierte, abschließende und komplexeste darstellt. Der Begriff Mediation findet nun auch in der deutschen Fassung Verwendung, von Sprachmittlung als Oberbegriff wird abgesehen. Dies begründet sich vor allem dadurch, dass Mediation eine viel weiter gefasste Bedeutung hat und auch sprachübergreifende Transaktionen miteinbezieht ( Quetz & Vogt 2021Quetz, Jürgen; Vogt, Karin. Einleitung zum Sammelband. In: Quetz, J.; Vogt, K. (hrsg.). Der neue Begleitband zum Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen. Berlin: Peter Lang, 2021, 7-34. ). Der GeRB definiert Mediation wie folgt:

Bei Mediation agieren die Nutzenden / Lernenden als sozial Handelnde, die Brücken bauen und dazu beitragen, Bedeutung zu konstruieren oder zu vermitteln, manchmal innerhalb einer Sprache, manchmal zwischen Modalitäten […] und manchmal von einer Sprache zu einer anderen. Der Fokus liegt auf der Rolle, die Sprache in Prozessen spielt, wie beispielsweise Raum und Voraussetzungen für gelingendes Kommunizieren und / oder Lernen zu schaffen, bei der Konstruktion neuer Bedeutungen zusammenzuarbeiten, andere zu ermutigen, neue Bedeutung zu konstruieren bzw. zu verstehen, und neue Informationen in geeigneter Weise weiterzugeben. Die Kontexte können sozial, pädagogisch, kulturell, linguistisch oder beruflich sein

( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 112).

Auch hier steht im Zentrum wieder der Aspekt des sozialen Handelns. Darüber hinaus wird bei dem Konzept der Mediation zwischen der kognitiven Ebene (cognitive mediation) und der beziehungsrelevanten Ebene (relational mediation) unterschieden. Die kognitive Mediation definiert der GeRB als einen Prozess, der den Zugang zu Wissen und Konzepten erleichtern soll. Dabei geht es nicht nur um sprachliche, sondern auch um Wissens- oder Kulturbarrieren, die es gilt zu überwinden. Dem gegenüber steht die beziehungsrelevante Mediation , bei welcher der Fokus vor allem auf zwischenmenschlichen Beziehungen liegt, bei denen es nicht allein um die reine Text- oder Konzeptvermittlung, sondern vor allem auch um das Vermitteln von Kommunikationen geht ( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020. ).

Mediation wird im GeRB sowohl als Aktivität als auch als Strategie aufgeführt, wie die folgende Abbildung veranschaulicht.

Abbildung 2:
Mediationsaktivitäten und -strategien

Europarat ( 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 112)

Die Mediationsstrategien werden unterteilt in die Bereiche „Strategien um ein neues Konzept zu erläutern” und „Strategien zur Vereinfachung eines Textes” ( Europarat 2020Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lehren, lernen, beurteilen. Begleitband. Stuttgart: Ernst Klett, 2020.: 112), darunter finden sich jeweils die dazugehörenden Skalen. Laut des GeRB (2020: 139) gelten diese Strategien für eine Vielzahl von Aktivitäten. Vor allem auf den höheren Kompetenzstufen, z.B. im Kontext akademischer oder domänenspezifischer Sprache sind diese Strategien nicht neu. Es ist vor allem der systematische Aufbau, d.h. die Förderung von A0 zu C2 im GeRB, der als innovativ angesehen werden kann.

In den Mediationsaktivitäten findet sich „einen Text sprachmitteln” als ein Teilbereich wieder. Die anderen sind „Konzepte vermitteln” und „Kommunikation vermitteln” (ebd.), die wiederum alle mit Skalen ergänzt wurden. Sprachmittlung bezieht sich hier auf die traditionelle Verwendung, wie sie im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) zu finden war und bereits erläutert wurde. Es geht also auch hier weniger um sprachliche Korrektheit als um Inhalt, Textstruktur und Angemessenheit.

Im Bereich „Konzepte vermitteln” (ebd.) geht es generell darum, kommunikative Kompetenzen und Teamfähigkeit zu fördern. Spezifischer soll dabei anderen Personen Zugang zu Wissen ermöglicht werden, indem bspw. komplexe Inhalte vereinfacht zusammengefasst werden.

Der Bereich „Kommunikation vermitteln” befasst sich mit den bereits erwähnten plurikulturellen Räumen. Dabei geht es u.a. um die Anpassung der eigenen Arbeitsweise bei der Zusammenarbeit mit Menschen aus anderen Kulturen, um ggf. Konflikten vorzubeugen bzw. zu vermeiden (vgl. Beispiel der japanischen Geschäftsfrau).

Aufgrund der Reichweite und Komplexität der Mediation wie im GeRB beschrieben, ist die praktische Umsetzung im Unterricht weitaus schwieriger als die bisherige Sprachmittlung basierend auf dem GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ). Insbesondere der bereits erwähnte Bereich der Kommunikationsvermittlung stellt dabei die größte Herausforderung dar, bestärkt jedoch auch “die enge Verbindung von Sprachmittlung, (inter-/trans-) kulturellem Lernen und Mehrsprachigkeitsdidaktik, die in der deutschsprachigen Forschung immer wieder postuliert wurde” ( Reimann 2020Reimann, Daniel. Sprachmittlung - Mediation im Fremdsprachenunterricht: Kompetenz und Bildungsziel, 2020. Zugang am 8. August 2022. Verfügbar unter: 10.55393/babylonia.v3i1.36
10.55393/babylonia.v3i1.36...
: 16). Reimann ( 2019Reimann, Daniel. Mediation in den neuen Skalen und Deskriptoren des CEFR Companion Volume. Zeitschrift für Fremdsprachenforschung, v. 30, n. 2, 163-180, 2019. ) geht davon aus, dass sich der Begleitband, und vor allem die Deskriptoren, trotz oder wegen ihrer Komplexität zur Konzeption von Unterricht, zur Bewertung, Klassifikation und Entwicklung von Unterrichtsmaterialien eignen, unterscheidet dabei jedoch nicht zwischen europäischen und außereuropäischen Bildungseinrichtungen. Inwieweit der GeR in außereuropäischen Ländern bisher Verwendung gefunden hat, wird nachfolgend umrissen.

4 Der GeR außerhalb Europas

Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2001 wurde der GeR in 40, einschließlich nicht-europäische Sprachen (u.a. Arabisch, Armenisch, Chinesisch, Japanisch und Koreanisch) übersetzt ( Council of Europe, o. J. ), was den internationalen Zugang zu dem Dokument erleichterte. Trotz der Kritik, dass der GeR einer (west-)eurozentrischen Perspektive zugrunde liegt und obwohl er ursprünglich für einen anderen Kontext entwickelt wurde, wird er weltweit an Bildungseinrichtungen inklusive Universitäten eingesetzt. Die Adaption des GeR wird von den Institutionen mit der Einfachheit der Bewertung, der Nivellierung und des Nachweises der erworbenen Kenntnisse begründet ( Nunes & Lorke 2011Nunes, Elaine; Lorke, Franziska. O problema da adequação dos parâmetros do quadro europeu comum de referência e „a necessidade de emergir como os outros de nós mesmos”. Revista X, v. 2, 40-60, 2011. ). Auch hier lässt sich die Reduzierung des GeR auf seine Kompetenzniveaus (“Nivellierung”) und seine Globalskala (“Einfachheit”) in der Praxis erkennen.

Lediglich in den USA ist der Einfluss des GeR auf den Sprachunterricht eher gering. Ein Grund dafür sind eigens, national entwickelte Modelle, wie von dem American Council for the Teaching of Foreign Languages (ACTFL), von der Modern Language Association (MLA) sowie der Interagency Language Roundtable (ILR). Als weiteren Grund nennt Warner ( 2020Warner, Chantelle. Was heißt hier plurikulturelle und plurilinguale Kompetenz? Konzeptionen von interkultureller Bildung und Mehrsprachigkeit im europäischen Referenzrahmen und im US-amerikanischen Fremdsprachenunterricht. Deutsch als Fremdsprache, v. 2, 67-78, 2020.: 68), “dass die USA sich nicht der Idee der European Citizenship verpflichtet fühlen, die hinter dem Ideal einer plurilingualen, interkulturellen Bildung steckt.” Damit impliziert die Autorin einerseits dem GeR zugrundeliegenden Eurozentrismus und andererseits, dass sich andere Länder, womöglich außerhalb Europas, wiederum verbunden fühlen. Dies wirft die Fragen auf, welchen Einfluss, implizit oder explizit, der GeR auf einen kolonialen Diskurs in der Sprachenbildung hatte bzw. hat und inwieweit Unterwerfungsbeziehungen, Unterordnung und Ausgrenzung durch europäische Bildungspolitiken außerhalb Europas gefördert werden.

Auch in Brasilien orientieren sich sprachliche Bildungseinrichtungen teils am GeR. Vielmehr noch, sie setzen häufig Lehrwerke ein (namentlich in Deutschkursen), die zumeist in Deutschland für den universellen, globalen Einsatz entwickelt wurden und wiederum auf dem GeR basieren. Vor allem in Lateinamerika, d.h. in postkolonialen Kontexten, ist die Verwendung des GeR kritisch zu betrachten, da Unterricht auf diese Weise aus der Ausländerperspektive durchgeführt wird ( Arantes 2018Arantes, Poliana Coeli Costa. Imagens de aprendizes de ALE em livros didáticos e o disciplinamento dos saberes. Pandaemonium Germanicum, v. 21, n. 34, 1-30, 2018. ).

5 Fazit und Ausblick: Konsequenzen für den Unterricht

Mit der Veröffentlichung des GeRB wurde in vielerlei Hinsicht erfolgreich auf Kritikpunkte des GeR reagiert. Zum einen hat die Analyse der neuen Deskriptorenskalen gezeigt, dass der Begleitband im Vergleich zum GeR seine Schwerpunkte verschoben hat. Der Fokus wird nun vom sprachlichen Produkt auf den Prozess des Sprachgebrauchs (languaging) gelegt. Es steht die Gruppe und nicht der/die Lernende als Individuum im Vordergrund. Lernziele sind in Kommunikationstheorien verankert und berücksichtigen den internationalen Paradigmenwechsel von einer psycholinguistischen zu einer soziokulturellen Perspektive in der Sprachlehr- und -lernforschung. In einer Zeit, die durch maschinelle Übersetzungsprogramme und künstliche Intelligenz geprägt ist, lässt sich sagen, dass der Begleitband wichtige Erkenntnisse liefert, die den zukünftigen Sprachunterricht überhaupt noch relevant machen. Im Begleitband werden gezielt jene Themen in den Vordergrund gerückt, die eine kommunikative Kompetenz ausmachen. Dabei handelt es sich um Aspekte, die über die rein funktionale Anwendung von Sprache hinausgehen und die von besonderer Bedeutung sind, da diese die menschlichen Sprachverwendenden von einem maschinellen Programm unterscheidet.

Das übergeordnete Ziel künftiger Sprachlehre sollte darin bestehen, die Entwicklung einer plurilingualen, plurikulturellen und beziehungsfördernden Kommunikation zu fördern. Hierbei sollte eine enge Verknüpfung von Alltags- und Berufssprache angestrebt werden, um die Trennung zwischen Domänen zu verringern. Vor allem die in dieser Arbeit dargestellte beziehungsrelevante Mediation spielt dabei eine übergeordnete Rolle, der bisher kaum Beachtung geschenkt wurde. Dabei sind es eben Beziehungen, was Sprachverwendende von digitalen Übersetzungsprogrammen unterscheidet. Konkreter bedeutet das, das im Sprachunterricht zukünftig Varietäten in Aussprache, Grammatik und Diskursstrategien mehr miteinbezogen werden. Dies beinhaltet auch Varietäten der Sprache, die nicht offiziell als Amtssprache einer Nation gelten (z. B. im Kontext des Deutschunterrichts Hunsrückisch in Brasilien). Darüber hinaus liegt ein besonderer Fokus auf der Höflichkeit und der (kulturellen) Angemessenheit der Sprachverwendung, anstelle ausschließlich linguistischer Korrektheit. Dieser Schwerpunkt hat zur Folge, dass Sprachlernende dazu ermutigt werden sollten, sprachliche Risiken einzugehen, selbst wenn dies zuungunsten sprachlicher Korrektheit geht, um eine positive Beziehungsgestaltung zu fördern.

Zum anderen wurde mit dem GeRB versucht, von der rein eurozentrischen Perspektive abzuweichen. Obwohl der Begleitband des GeR immer noch auf den europäischen Referenzrahmen aufbaut, versucht er, die Reichweite des GeR kritisch auszudehnen, um auch außerhalb Europas Anwendung zu finden. Durch eine größere Betonung der soziokulturellen Aspekte des Sprachenlernens wird versucht, den kulturellen Kontext und die Sprachenvielfalt weltweit besser zu berücksichtigen und somit eben weniger eurozentrisch zu sein. Im Hinblick auf die Sprachenförderung, Sprachenvielfalt sowie Plurilingualität und Plurikulturalität innerhalb Europas ist dies sicherlich gelungen, da die migrationsbedingte Mehrsprachigkeit berücksichtigt wird. Ob der GeRB allerdings als Grundlage in außereuropäischen Ländern dienen kann, gilt es empirisch zu erforschen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies wiederum einer weitreichenden Anpassung bedürfen werde, um einer dekoloniale Perspektive des Sprachenlehrens und -lernens gerecht zu werden.

Literaturverzeichnis

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  • Suckfüll, Ariane. GeR-Begleitband – Schlagworte konkret, 2020. Blog Hueber-Sprachen. Zugang am 2. Juni 2023. Verfügbar in: https://blog.hueber-sprachen.de/ger-begleitband-schlagworte-konkret/ .
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  • Warner, Chantelle. Was heißt hier plurikulturelle und plurilinguale Kompetenz? Konzeptionen von interkultureller Bildung und Mehrsprachigkeit im europäischen Referenzrahmen und im US-amerikanischen Fremdsprachenunterricht. Deutsch als Fremdsprache, v. 2, 67-78, 2020.
  • Watzlawick, Paul; Beavin, Janet H.; Jackson, Don D. Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: Huber, 1969.
  • 1
    Universidade de São Paulo, Departamento de Letras Modernas, Rua do Lago, 717, Butantã, São Paulo, SP, 05508-900, Brasil.
  • 2
    „Why should there not be a European group which could give a sense of enlarged patriotism and common citizenship to the distracted peoples of this mighty continent?” ( Europarat nach Churchill, o. J. )
  • 3
    „In order that this may be accomplished there must be an act of faith in which the millions of families speaking many languages must consciously take part.” ( Europarat nach Churchill, o. J. )
  • 4
    Under and within that world concept we must recreate the European family […] and the first practical step will be to form a Council of Europe.” ( uroparat nach Churchill, o. J. )
  • 5
    Zusammenfassend bezeichnet der Begriff Interkulturalität das Aufeinandertreffen von zwei oder mehr Kulturen, bei dem es trotz kultureller Unterschiede zur gegenseitigen Beeinflussung kommt ( Altmayer 2021Altmayer, Claus. Interkulturalität. In: Altmayer, C.; Biebighäuser K; Haberzettl S.; Heine, A. (hrsg.). Handbuch Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Kontexte – Themen – Methoden. Stuttgart: Springer, 2021, s. 376-393. ).
  • 6
    Der Begriff Vielsprachigkeit bezieht sich laut des Europarats ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) auf die Anzahl gelernter Sprachen bzw. die Koexistenz mehrerer Sprachen innerhalb einer Gesellschaft, die meist durch schulischen Sprachunterricht erreicht wird. Der Begriff Mehrsprachigkeit wird dahingehend verwendet, wenn sich "die Spracherfahrung eines Menschen in seinen kulturellen Kontexten erweitert" (ebd., S. 17). Eine kommunikative Kompetenz wird demnach durch alle Sprachkenntnisse und Spracherfahrungen erreicht. Die verschiedenen Sprachen stehen miteinander in Beziehung und können flexibel eingesetzt werden. (ebd.)
  • 7
    Der Begriff Sprachverwendende schließt im vorliegenden Beitrag alle Sprechenden einer Sprache ein. Auf die Differenzierung zwischen Muttersprachler:innen, Herkunftssprechenden und Sprechende einer Fremdsprache wird verzichtet.
  • 8
    Neben Deutsch, sind Russisch, Türkisch und Arabisch die am häufigsten gesprochenen Sprachen in Haushalten in Deutschland ( Statisches Bundesamt 2023 ).
  • 9
    Auf die Problematik des Begriffs Muttersprachler wird in Kapitel 3 näher eingegangen.
  • 10
    Es sei daraufhin gewiesen, dass der Begriff Gastarbeiter:innen hier in seinem historischen Kontext verwendet wird. Der Terminus war und ist problematisch, da er impliziert, dass die Arbeitskräfte nur für eine bestimmte Zeit geduldet und nicht als Mitbürger:innen angesehen werden.
  • 11
    Der Begriff Eurozentrismus bezeichnet eine Weltsicht, die implizit oder explizit die europäische Geschichte und die europäischen Werte als die Norm und anderen überlegen darstellt und damit dazu beiträgt, die dominante Stellung Europas innerhalb des globalen kapitalistischen Weltsystems zu begründen und zu rechtfertigen.
  • 12
    Der Begriff co-construction of meaning (gemeinsame Konstruktion von Bedeutung) liegt dem Kommunikationsmodell von Paul Watzlawick ( 1969Watzlawick, Paul; Beavin, Janet H.; Jackson, Don D. Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: Huber, 1969. ) zugrunde, welches bis dato in der Fremdsprachendidaktik wenig Anklang gefunden hat. Dabei wird die Bedeutung des sozialen und interaktiven Charakters von Sprache betont, dass Bedeutung und Verständnis in der Kommunikation zwischen Sprachverwendenden gemeinsam entwickelt werden. Bedeutung wird in einem wechselseitigen Prozess der Verständigung und Interpretation entwickelt, bei dem beide Seiten in der Kommunikation aktiv beteiligt sind. Der GeRB weist darauf hin, dass Sprachlernende ihre Fähigkeiten zur co-construction of meaning entwickeln sollten, um effektive Kommunikation zu ermöglichen. Dies beinhaltet die Fähigkeit, auf Informationen und Äußerungen anderer angemessen zu reagieren, Fragen zu stellen, um Unklarheiten zu klären, Feedback zu geben und auf nonverbale Signale und Kontexte zu achten, um die Bedeutung zu verstehen.
  • 13
    Das generische Maskulinum wurde im GeR ( 2001Europarat. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin, München, Wien, Zürich, New York: Langenscheidt, 2001. ) standardgemäß verwendet. Im Begleitband ( 2020 Suckfüll, Ariane. GeR-Begleitband – Schlagworte konkret, 2020. Blog Hueber-Sprachen. Zugang am 2. Juni 2023. Verfügbar in: https://blog.hueber-sprachen.de/ger-begleitband-schlagworte-konkret/ .
    https://blog.hueber-sprachen.de/ger-begl...
    ) wird hingegen gendergerechte Sprache gebraucht.
  • 14
    Eine plurilinguale bzw. plurikulturelle Person ist bspw. jemand, die im deutschsprachigen Raum aufgewachsen ist und Deutsch seit der Kindheit spricht. Gleichzeitig kommuniziert sie mit einem Elternteil auf Darija, d.h. marokkanischem Arabisch und mit dem anderen Elternteil auf Tamazight, d.h. Berbersprache, während sie innerhalb der Großfamilie auch häufig ins Französische wechseln. Während ihrer Kindheit im deutschsprachigen Raum hat diese Person außerdem Englisch in der Schule gelernt sowie ihre Deutschkenntnisse weiter vertieft. Später im Studium hat sie zusätzlich Spanisch gelernt (Adaptiert aus Suckfüll , Hueber Verlag 2020 Suckfüll, Ariane. GeR-Begleitband – Schlagworte konkret, 2020. Blog Hueber-Sprachen. Zugang am 2. Juni 2023. Verfügbar in: https://blog.hueber-sprachen.de/ger-begleitband-schlagworte-konkret/ .
    https://blog.hueber-sprachen.de/ger-begl...
    ).
  • 15
    Der Begriff translanguaging wurde erstmals von Cen Williams (1994) verwendet, um pädagogische Strategien in zweisprachigen Klassenzimmern zu beschreiben, die den Gebrauch der beiden Sprachen im Unterricht nicht strikt voneinander trennen. Die Verbreitung des Begriffs und des damit zusammenhängenden Konzepts gewannen jedoch erst Jahrzehnte später an Bedeutung, was vor allem auf die Forschungsarbeiten von Ofelia García zurückzuführen ist. Im Gegensatz zu languaging , das sich auf allgemeine Sprachpraktiken konzentriert, beschreibt translanguaging laut García & Wei ( 2014García, Ofelia; Wei, Li. Translanguaging. Language, bilingualism and education. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2014. ) die Verwendung des gesamten kommunikativen (sprachlichen und außersprachlichen) Inventars eines/r Sprachverwendenden innerhalb einer Kommunikation. Im Fokus steht demnach nicht die Systematik des Wechsels zwischen den Sprachen ( Code-Switching , Pragmatik), sondern wie die Identität der Sprachverwendenden mithilfe sprachlicher Vielfalt geprägt wird. Translanguaging kann demnach als eines der wichtigsten pädagogischen Werkzeuge angesehen werden, um soziale Gerechtigkeit zu garantieren, inner- und außerhalb des Unterrichts ( García & Leiva 2014García, Ofelia; Leiva, Camila. Theorizing and Enacting Translanguaging for Social Justice. In: Blackledge, A; Creese, A. (hrsg.). Heteroglossia as Practice and Pedagogy. New York: Springer, 2014, 199-216. ).
  • 16
    Eine begriffliche bzw. konzeptuelle Unterscheidung zwischen plurikultureller und interkultureller kompetenz wird durch den GeRB nicht deutlich gemacht.

Edited by

Editor: Gabriel Sanches Teixeira

Publication Dates

  • Publication in this collection
    15 Apr 2024
  • Date of issue
    May-Aug 2024

History

  • Received
    18 Aug 2023
  • Accepted
    05 Dec 2023
Universidade de São Paulo/Faculdade de Filosofia, Letras e Ciências Humanas/; Programa de Pós-Graduação em Língua e Literatura Alemã Av. Prof. Luciano Gualberto, 403, 05508-900 São Paulo/SP/ Brasil, Tel.: (55 11)3091-5028 - São Paulo - SP - Brazil
E-mail: pandaemonium@usp.br